21. Netzwerkkonferenz

Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm: Status quo und Ausblick

Ort: Quadriga Forum, Berlin
Datum: 11.06.2018

Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft kamen zur 21. NeRess-Konferenz unter dem Titel „Umsetzung von ProgRess II – Zwischenbilanz und Ausblick“ am 11. Juni 2018 im Quadriga Forum in Berlin zusammen.

In seinem Begrüßungsvortrag erläuterte Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz, den vierjährigen Politikzyklus der Ressourceneffizienzpolitik in Deutschland. Das zweite Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess II) wurde 2016 verabschiedet. 2020 wird die Bundesregierung über die erzielten Fortschritte berichten und die künftige Ausrichtung der deutschen Ressourceneffizienzpolitik in ProgRess III beschließen. Die 21. Netzwerkkonferenz des Netzwerks Ressourceneffizienz (NeRess) dient der Diskussion wesentlicher Handlungsfelder und Ansätze der Ressourceneffizienzpolitik mit Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlicher Interessenträger sowie der interessierten Öffentlichkeit. Aus Sicht des VDI ZRE werden künftig Themen wie die Digitalisierung, die noch stärkere Verknüpfung der Ressourceneffizienz mit Ansätzen der Kreislaufwirtschaft sowie die Bereiche Produktentwicklung und Ökodesign herausragende Bedeutung für die deutsche Ressourceneffizienz- und Nachhaltigkeitspolitik einnehmen.

Im Mittelpunkt des nachfolgenden Vortrags von Dr. Helge Wendenburg vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) standen die Umsetzung und Fortentwicklung des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms. Das Netzwerk Ressourceneffizienz (NeRess) wurde im März 2007 gegründet. Damals fanden erste Überlegungen statt, ob Ressourceneffizienz als politisches Thema bearbeitet werden sollte. Im Rückblick kann sich der ProgRess-Prozess national, EU-weit und international sehr gut sehen lassen. Das NeRess fasst nicht nur Interessierte zusammen, sondern bündelt alle in diesem Politikfeld relevanten Stränge bezogen auf Akteure und Inhalte. Aus NeRess lassen sich praxisorientiertes Know-How, Erfahrungen sowie perspektivische Abschätzungen dessen  gewinnen, was künftig sein wird. Inhaltlich wird das Thema Digitalisierung künftig sicherlich ein Angelpunkt vieler Diskussionen und Prozesse sein. Die Digitalisierung von Bauteilen verspricht künftig einen optimalen Materialeinsatz im Rahmen der Kreislaufwirtschaft 4.0 zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die Zusammensetzung komplexer Produkte. Die zur optimalen Kreislaufführung notwendigen Informationen zur Zerlegung und zur Materialzusammensetzung könnten mit den neuen Möglichkeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und insbesondere für die Stufen der Wiederverwertung und des Recyclings verfügbar gemacht werden. Die Entwicklung und Nutzung dieser innovativen Lösungen ist eine Voraussetzung für das Erreichen der ambitionierten Ziele des EU-Kreislaufwirtschaftspakets, die für verschiedene Stoffströme für die Jahre 2025 und 2030 festgelegt wurden.

Im nachfolgenden Vortrag fasste Dr. Klaus Jacob vom Forschungszentrums für Umweltpolitik (ffu) der Freien Universität Berlin die Ergebnisse und den Diskussionsstand der insgesamt acht Umsetzungsworkshops zusammen, die im Lauf der Jahre 2017 und 2018 zu ProgRess II veranstaltet wurden. Ziel der Workshops war es, wesentliche Aspekte der Umsetzung der deutschen Ressourceneffizienzpolitik in verschiedenen Handlungsfeldern mit Vertreterinnen und Vertretern betroffener Gruppen im Expertenkreis zu diskutieren. Auf diese Weise wurde die erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen unterstützt und es konnten wichtige Lehren für die künftige Gestaltung von Maßnahmen und Handlungsfeldern gewonnen werden. Insbesondere die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Nationalen Plattform für Ressourceneffizienz NaRess mit ihren aktuell über 40 Mitgliedern aus verschiedenen gesellschaftlichen Akteursgruppen nahmen an den Workshops teil und bereicherten die Diskussionen mit Informationen aus Wissenschaft und Praxis. Dabei wurden Treiber, Hemmnisse und die Fortentwicklung bestehender Maßnahmen der Ressourceneffizienzpolitik in folgenden Bereichen intensiven Analysen unterzogen: In der produzierenden Wirtschaft, im Bereich Konsum bzw. Verbraucherinnen und Verbraucher, bezogen auf Rahmenbedingungen in Form ökonomischer Instrumente sowie von Förderinstrumenten, im Baubereich, im Bereich des Rohstoffabbaus sowie von Lieferketten und schließlich bezogen auf die Transformation zu einer ressourcenleichten Gesellschaft. Die Organisation, Moderation und Dokumentation der Workshopreihe erfolgte im Rahmen des Projekts Ressourcenpolitik – kurz PolRess.

Erste Zwischenergebnisse der Evaluation von ProgRess II wurden von Bettina Bahn-Walkowiak vom Wuppertal Institut vorgestellt. Über 200 vollständig ausgefüllte Fragebögen bildeten die empirische Basis für diesen Zwischenstand. Am höchsten war die Beteiligung an der Umfrage aus dem Bereich der Wirtschaftsakteure, an zweiter Stelle folgten Akteure aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung. Der überwiegenden Mehrheit der Befragten war ProgRess II bereits bekannt und die Aktivitäten und Ziele der Teilnehmenden entsprachen im Wesentlichen den Zielen des Programms. Keine der Befragten hielt ProgRess II für die eigenen Aktivitäten für kontraproduktiv. Es ging aus der Umfrage hervor, dass enge Verbindungen und Schnittstellen mit angrenzenden Politikfeldern wie z. B. den Bereichen Abfall, Energie und Klima bestehen. Adressiert wurden ferner Wirkungsbereiche von ProgRess II, Hemmnisse und Erfolgsfaktoren sowie die Bedeutung unterschiedlicher Handlungsebenen vom Individuum über Haushalte, Kommunen, die Länderebene, die Bundesebene, die EU-Ebene bis hin zur internationalen Ebene. Vorläufige Schlussfolgerungen sind, dass die allgemeine Resonanz des Programms gut ist, dass es eine hohe Bekanntheit genießt, dass die Bewertung durch die Umfrageteilnehmerinnen und Umfrageteilnehmer insgesamt positiv ist und, dass eine gute internationale Einbettung erreicht werden konnte.

In der darauffolgenden Podiums- und Publikumsdiskussion „Umsetzung von ProgRess II und Ausblick auf ProgRess III“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Bundesländern, Industrie und Umweltverbänden den Stand und mögliche Perspektiven der deutschen Ressourcenpolitik. Wenn man sich rein an der Entwicklung des in ProgRess II sowie in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankerten Indikators „Gesamtrohstoffproduktivität“ orientiert, werden die aktuellen Zielsetzungen mit den bestehenden Entwicklungen sehr gut erreicht. Gleichwohl könne und sollte es in verschiedenen Handlungsbereichen noch Verbesserungen geben. Die Bedeutung absoluter Entlastungen der Umwelt und ihre Berücksichtigung in der politischen Programmatik und Indikatorik wurde lebhaft diskutiert. ProgRess II wurde eine wichtige Bündelungs- und Orientierungsfunktion im Bereich der zahlreichen Initiativen und Programme zur Ressourceneffizienz auf verschiedenen politischen Ebenen von den Kommunen und Bundesländern bis hin zur europäischen und internationalen Ebene zugesprochen. Als entscheidende Punkte wurden die Bewusstseinsbildung für Ressourceneffizienz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Unterstützung von KMU auf ihrem Weg zur Ressourceneffizienz sowie die Notwendigkeit thematisiert, das Thema Ressourceneffizienz aktiv in die Dynamik der digitalen Transformation einzubringen, um Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren. Schließlich wurde über den Umgang mit Schnittstellen zu weiteren Politikfeldern, Ressourcen und Nachhaltigkeitsaspekten diskutiert.

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Nachhaltige Rohstoffversorgung sichern

Thematisch vertieft wurde zunächst das ProgRess-Handlungsfeld der Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung diskutiert. Frau Dr. Gudrun Franken von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gab mit einem Impulsvortrag erste Einblicke in die Grundlagen der nachhaltigen Rohstoffwirtschaft. Die Aufbereitung und Interpretation weltweiter statistischer Daten legt den Schluss nahe, dass schwache staatliche Governance-Strukturen mit vergleichsweise höheren Risiken für Mensch und Umwelt im Bergbausektor einher gehen. Ein Überblick über Forschungsergebnisse zu Stand und Standards im globalen Bergbausektor zeigte auf, dass in diesem Bereich global viele Initiativen bestehen, die sich um immer mehr verschiedene Facetten des Themas kümmern. Die Leitsätze der OECD zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten haben in viele Strategien Eingang gefunden. Dies ist der gegenseitigen Anerkennung und Harmonisierung der Standards zuträglich. Mit quantitativen Daten unterlegte Beispiele für nachhaltigen Bergbau weltweit zeigen, dass Optimierungsbemühungen stets alle wesentlichen Einflussfaktoren für gewünschte Entwicklungen in die Betrachtungen mit einbeziehen sollten, um Fehlsteuerungen zu vermeiden. Beim Bergbau gelte dies insbesondere auch für die soziale Dimension der Nachhaltigkeit.

In der darauffolgenden Podiums- und Publikumsdiskussion „Nachhaltige Rohstoffpolitik: Umsetzung und Ausblick“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Industrie und Zivilgesellschaft Ansatzpunkte der deutschen Ressourcenpolitik im Bereich global nachhaltiger Lieferketten. Daraus wurde deutlich, dass das Bewusstsein für Ressourceneffizienz im Speziellen und für die Bedeutung von Umwelt- und Sozialstandards im Allgemeinen auf internationaler Ebene seit einiger Zeit steigt. Als Herausforderung wurde gesehen, dass zwar in vielen Ländern gesetzliche Standards bestehen, es aber häufig an deren Umsetzung hapert. An dieser Stelle kann Deutschland als Rohstoffimporteur Verantwortung übernehmen und rohstoffexportierende Länder bei der Umsetzung von Standards unterstützen. Dies kann insbesondere im Rahmen von Rohstoffpartnerschaften der Bundesregierung aber auch darüber hinaus weiter verfolgt werden. Lebhaft wurde die Frage diskutiert, ob die politische Herangehensweise an eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft eher die Freiwilligkeit oder die Regulierung zum Leitprinzip erheben sollte. Ganz überwiegend waren sich die Diskutantinnen und Diskutanten einig, dass die Freiwilligkeit weiter im Vordergrund stehen sollte und die Regulierung nur als letztes Mittel in dafür geeigneten Fällen zur Zielerreichung genutzt werden sollte. Es wurde kritisch angemerkt, dass für portable Telekommunikationsgeräte bislang kein Best Practice Beispiel für eine nachhaltige Lieferkette bestehe. Gleichzeitig könnten diese Geräte eine wichtige Quelle von Sekundärrohstoffen für den Ausbau der Elektromobilität in Deutschland und Europa darstellen. Der Ausbau der Elektromobilität könnte als Paradebeispiel für den gezielten Aufbau einer nachhaltigen Liefer- und Wertschöpfungskette genutzt werden. Auch für die Gewinnung von Sekundärrohstoffen sollten dabei Nachhaltigkeitsstandards gelten.

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Die Unterstützung der Ressourcenschonung in Produktentwicklung und Produktion durch Normung und Standardisierung

Die zweite thematische Vertiefung der Diskussionen erfolgte im Themenbereich von Normen und Standards. Eröffnet wurde das Themenfeld mit einem Vortrag von Dr. Nico Pastewski von der Eberspächer GmbH, der sich seit geraumer Zeit im Richtlinienwesen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) engagiert. Er berichtete über das Richtlinienwerk des VDI im Bereich Ressourceneffizienz, das sukzessive um weitere wesentliche Elemente ergänzt wird. In den Richtlinienausschüssen des VDI erarbeiten Expertinnen und Experten Richtlinien, die den Stand der Technik und des Wissens in wichtigen Themenfeldern neutral beschreiben. Dies erleichtert die Suche nach Lösungen auf der Basis gemeinsamer Definitionen und Begriffe und sorgt dafür, dass Anwenderinnen und Anwender der Richtlinien bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von einer qualitätsgesicherten Wissens- und Methodengrundlage aus starten können.

In der darauffolgenden Podiums- und Publikumsdiskussion „Die Unterstützung der Ressourcenschonung in Produktentwicklung und Produktion durch Normung und Standardisierung“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie und Standardisierungs- bzw. Normungswesen Ansatzpunkte im Bereich der Normung und Standardisierung zur Unterstützung der deutschen Ressourcenpolitik. Von Interesse sind dabei sowohl Normen und Standards, bei denen das Thema Ressourcenschonung im Fokus steht, als auch Normen, die indirekten Einfluss auf den Verbrauch oder die Nutzungsformen natürlicher Ressourcen haben. So können bestimmte Normen und Standards z. B. den Einsatz von Sekundärrohstoffen fördern, aber auch erschweren. Die bekannte DIN Norm für Papier ermöglicht in vielen Büros und Haushalten die problemlose Nutzung von Druckern. Und im Bereich der portablen Kommunikationsgeräte konnte jüngst über die Normung die Nutzung einheitlicher Ladesteckerlösungen erreicht werden, was der Übertragbarkeit zwischen Neu- und Altgeräten zugute kommt. Es wurde der Vorschlag unterbreitet ähnlich wie im Bereich Metalle, wo bereits entsprechende Normen existieren, auch in anderen Bereichen Normen zu schaffen, die festgelegte Materialeigenschaften und -qualitäten definieren. So könnten z. B. Einkäufer und Weiterverarbeiter von Kunststoffen sich auf transparente vorher bekannte Materialeigenschaften und -qualitäten verlassen und eventuelle Fehlkäufe vermeiden. Ebenso wie die Entstehung von Normen und Standards wie auch für deren Internationalisierung ist in erster Linie ein bestehendes Interesse der künftigen Anwenderinnen und Anwender an einer Vereinheitlichung betroffener Sachlagen entscheidend. Besonders erfolgreich sind Normen und Standards, die mehrere Ziele gleichzeitig erreichen, z. B. innerhalb der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit aber auch aus der Sicht der Produktentwicklung, bei der in erster Linie die Interessen der Kundinnen und Kunden im Vordergrund stehen.

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Schlusswort

Im Schlusswort gab Reinhard Kaiser vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) einen kurzen Rückblick auf die im Verlauf der Konferenz besprochenen Themen und betonte, dass aus den Diskussionsergebnissen wertvolle Impulse für die Arbeit an ProgRess III hervor gehen. Einmal mehr sei deutlich geworden, dass die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine sichere Rohstoffversorgung eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft auch in Lieferländern voraussetzt. Der Bereich der Normung und Standardisierung wurde als wichtiges Handlungsfeld vertieft diskutiert und die Bedeutung der internationalen Dimension bei der Umsetzung und Weiterentwicklung von Maßnahmen wurde an verschiedenen Stellen unterstrichen. Schließlich folgte ein würdigender Rückblick auf zehn Jahre erfolgreiche deutsche Ressourceneffizienzpolitik.

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