22. Netzwerkkonferenz

Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft: Zwei Eckpfeiler einer nachhaltigen Rohstoffpolitik

Ort: dbb forum, Berlin
Datum: 18.11.2019

Einführung und Begrüßung

Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft kamen zur 22. NeRess-Konferenz unter dem Titel „Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft: Zwei Eckpfeiler einer nachhaltigen Rohstoffpolitik“ am 18. November 2019 im dbb forum Berlin zusammen.

In seinem Begrüßungsvortrag erläuterte Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz, einführend die politische Diskussion an der Schnittstelle der Themenbereiche Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft in Deutschland und in der Europäischen Union. Nicht zuletzt weil für den global weiterhin steigenden Rohstoffbedarf – auch bei einer vollständigen Schließung von Materialkreisläufen in absehbaren Zeiträumen – weiterhin der Einsatz primärer Rohstoffe erforderlich sein wird, bleiben die Abfallvermeidung sowie die Vermeidung verzichtbarer Ressourceneinsätze ein wichtiges Handlungsfeld der Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Daher wurden bei der Konferenz Erfolge und Herausforderungen der ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft, konkrete Umsetzungsbeispiele und Sachlagen der betrieblichen Praxis in diesem Bereich sowie der Beitrag technologischer Innovationen mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen diskutiert.

Ressourceneffizienz & Kreislaufwirtschaft

Im Anschluss daran diskutierte Herr Dr. Vogt mit Vertreterinnen und Vertretern von Bundesumweltministerium, Deutschem Naturschutzring sowie dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Erwartungen und mögliche nächste Schritte im Bereich Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass die Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Ressourceneffizienz und zum Klimaschutz leisten kann. Wie die Ressourceneffizienz deckt auch die Kreislaufwirtschaft eine große Bandbreite an ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Handlungsfeldern ab, was sich aus der Vielzahl der damit verbundenen Stoffströme, Produkte und Wertschöpfungsketten ergibt. Bezogen auf unterschiedliche Regionen, aber auch bei der Betrachtung unterschiedlicher Produkt- und Materialgruppen sind verschiedene Umsetzungsstände bei der Schließung von Kreisläufen zu beobachten. Dies erfordert ein maßgeschneidertes Vorgehen beim Versuch, Materialkreisläufe zu schaffen und zu schließen.

In einzelnen Bereichen erscheint der Aufbau funktionierender Erfassungs- und Verwertungsinfrastrukturen von Bedeutung, während an anderer Stelle deren Optimierung stärker im Fokus steht. Recyclingquoten erscheinen an einigen Stellen eher geeignet als an anderen. Der Maschinen- und Anlagenbau trägt mit seinen Produkten und deren Entwicklung wesentlich dazu bei, Kreisläufe zu schließen und muss dabei auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Unternehmen an verschiedenen Stellen der Wertschöpfungsketten eingehen. Der Deutsche Naturschutzring betonte, dass die im Klimaschutzgesetz verankerten Sektorziele ein ambitioniertes Voranschreiten der beteiligten Akteure zur Schließung von Materialkreisläufen erforderten.

Eine Vertreterin des Bundesumweltministeriums erläuterte daran anschließend bestehende rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft und aktuelle Entwicklungen innerhalb dieses Handlungsfelds. Es wurde deutlich, dass die Ressourceneffizienz ein wichtiger und notwendiger Bestandteil der Kreislaufwirtschaft ist und umgekehrt auch die Kreislaufwirtschaft ein zentraler Teil des breiteren Felds der Ressourceneffizienz ist. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und der Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (KrWG). Dessen Zweckbestimmung nimmt ausdrücklich Bezug auf die Schonung natürlicher Ressourcen. Wesentliche Elemente des Rechtsrahmens der Kreislaufwirtschaft – wie die Abfallhierarchie, die Pflichten für Erzeuger und Besitzer von Abfällen, die Getrenntsammlungspflichten oder Vorschriften im Bereich der Recyclingquoten – wurden kurz dargestellt. So handelt es sich bei der Abfallhierarchie um keine starre Hierarchie der Bewirtschaftungsoptionen, sondern um ein Instrument, mit dem die über den gesamten Lebensweg von Produkten ökologisch vorteilhafteste Vorgehensweise zum jeweiligen Mittel der Wahl erhoben wird. Schließlich wurde auf wesentliche Elemente der aktuell in Arbeit befindlichen Novelle des KrWG eingegangen, die der Umsetzung der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie dient und weitere wesentliche rechtliche Impulse für eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft geben wird.

Eine Vertreterin des Wuppertal Instituts ging daraufhin auf die gesellschaftspolitische Dimension der ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft ein. Bei der Erläuterung des aktuellen Entwicklungsstands wurde auf die global exponentiell zunehmende Rohstoffextraktion, den in Deutschland stagnierenden Rohstoffeinsatz sowie die hierzulande zu beobachtende leichte Steigerung der Gesamtrohstoffproduktivität verwiesen. Von der Europäischen Kommission wurde für den Bereich der Kreislaufwirtschaft neben den bisher gebräuchlichen Recyclingquoten ein neuer Indikator in die Diskussion eingebracht, der auch von der Ressourcenkommission am Umweltbundesamt als Erfolgsmaßstab für die Kreislaufwirtschaft in Deutschland gefordert wurde. Er stellt den Anteil der Sekundärrohstoffe am Rohstoffeinsatz und somit den Beitrag dar, denn die Kreislaufwirtschaft zur Schonung natürlicher Rohstoffe leistet. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Indikatoren DIERec (Direct and Indirect Effects of Recovery) und DERec (Direct Effect of Recovery) verwiesen, die im Auftrag des Umweltbundesamts zur Messung des Beitrags der Kreislaufwirtschaft zu Ressourcenschonung und Ressourcenproduktivität entwickelt und berechnet wurden. Beim Vergleich des Status Quo mit bestehenden umweltpolitischen Zielsetzungen, trete jedoch eine gewisse Ernüchterung ein. Lösungsansätze für mehr Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft werden auch in verschiedenen Projekten des Wuppertal Instituts erarbeitet, z. B. in den Projekten Circle of Tools, Sustainable Lifestyles Accelerator oder Circular by Design.

Im folgenden Vortrag eines Vertreters der Loser Chemie GmbH wurde der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft am Beispiel der zerstörungsfreien Aufbereitung von Solarmodulen vorgestellt. Der Impuls für die geleistete Pionierarbeit entstammte dem Streben des Unternehmens, neue Geschäftsfelder im Bereich der ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft zu erschließen in Verbindung mit steigenden Preisen für in Solarmodulen enthaltene Rohstoffe. Die Anzahl von in der EU verbauten Modultypen liege bei rund 95.000. Damit müssen Recycler arbeiten, wenn sie sich dieser Herausforderung stellen. Dies bedeutet den Umgang mit verschiedenen Bauweisen und Inhaltsstoffen. Nur ein Recyclingverfahren ist für die stoffliche Verwertung dieser Ströme nicht ausreichend. Es war ein langer Weg hin zur Gewinnung verwertbarer Fraktionen, wozu zunächst die Separierung von Produktkomponenten und dann die Isolierung einzelner Elemente gehörte. Erforderlich waren hierzu nicht nur Kenntnisse im Maschinenbau, sondern auch im Bereich der Chemie. Eine Herausforderung bestand zunächst darin, aus den Produkten einzelne Teilströme zu generieren, die es Chemikern ermöglichen, hinterher an die zu verwertenden Materialien zu gelangen. Die Lösung liegt in der zerstörungsfreien Anlieferung sowie der Separierung wesentlicher Bauteile voneinander im Vorfeld der chemischen Prozesse. Im Ergebnis können wirtschaftlich verwertbare Materialfraktionen aus Altmodulen gewonnen werden.

In der anschließenden Podiums- und Publikumsdiskussion sprachen Vertreter der Loser Chemie GmbH, der Werner & Mertz GmbH, des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) sowie des Deutschen Naturschutzrings über konkrete Chancen und Herausforderungen einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft in der betrieblichen Praxis. Der Vertreter der Werner & Mertz GmbH erläuterte dabei, wie das Unternehmen die Herausforderung gemeistert hat, im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie Lösungen für die Schließung von Kunststoffkreisläufen für Kunststoffströme aus dem gelben Sack zu schaffen. Diese Pionierarbeit beruhte auf massivem unternehmerischem Engagement im Bereich der Schließung von Stoffkreisläufen und ermöglichte die Entwicklung eines noch nie vorher dagewesenen weltweit einzigartigen Verfahrens auf dem Weg in eine vollständige Kreislaufschließung. Neben dem Stoffstrom Kunststoff wurden anstehende Herausforderungen insbesondere auch im Bereich der Baustoffe gesehen, bei denen verglichen mit Papier, Holz oder Glas auch in Deutschland noch große Anstrengungen anstünden. Diskutiert wurden darüber hinaus bestehende Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft im Bereich der Elektrogeräte. Massebezogene Recyclingquoten seien in verschiedenen Bereichen kritisch zu hinterfragen, wenn die Zielsetzung darin besteht, auch kritische Materialien im Kreislauf zu führen, die oft nur in geringen Konzentrationen in Produkten enthalten sind. Schließlich wurde deutlich, dass eine politische Flankierung der Entwicklungen den Ausbau der Kreislaufwirtschaft auch weiterhin beschleunigen sollte. Neben klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, dem setzen finanzieller Anreize sowie informatorischen Instrumenten spiele hierbei insbesondere auch das aktive Zusammenführen relevanter Akteure der Wertschöpfungsketten in Netzwerken eine wesentliche Rolle. Weitere Lösungsansätze lägen z. B. im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens auch in Verbindung mit der Nutzung und Weiterentwicklung recyclingbezogener Produktkennzeichen.

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Instrumente und Technologien zur Unterstützung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft

Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft wurde in einem Vortrag des Fraunhofer ISI, ausgehend von Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Bundesforschungsministeriums beleuchtet. Aufgabe des Fraunhofer ISI im Rahmen der BMBF-Beauftragung zu Begleitung und Transfer für die Projekte der r-Reihe ist zum einen die Bündelung und Nutzbarmachung der Erkenntnisse aus den Projekten und zum anderen die Verbreitung der Ergebnisse bei Akteuren, die für deren Umsetzung und Anwendung relevant sind. Die Reihe besteht aus r2, r3, r4, r+, das noch bis 2022 läuft. Nachdem Kriterien für die Wirtschaftlichkeit der Umsetzung von in den Projekten entwickelten Innovationen erläutert wurden, berichtete der Referent über die bei konkreten Projekten geschaffenen Win-Win-Situationen für die beteiligten Akteure. Hervorgehoben wurden die Projekte EcoFluor, EZIRec, ReeL und Edelmetallabsorber, deren Gemeinsamkeit darin bestand, dass für verschiedene Stoffe wie Zinn, Edelmetalle oder Gerbstoffe beim Einsatz in verschiedenen Anwendungen und Produkten Rückführungen in den Materialkreislauf ermöglicht werden konnten.

Im Vortrag „Circular Economy 4.0“ erfragte ein Vertreter der CER Circular Economy Research GmbH die Einschätzungen des Publikums zur Frage, welchen durchschnittlichen Anteil die Rohstoffkosten am Produktwert eines Notebooks hätten. Das niedrigste Gebot lag bei 20 %, das von der Antwort von rund 5% deutlich unterboten wurde. Zwar schwanke dieser Wert je nach Qualitäts- und Preisniveau der Geräte, gleichwohl würde aber deutlich, dass die reine Rückgewinnung dieser 5 % an Wertinhalt des Produkts zu kurz greife. Es wurde dargelegt, dass auch die in den Produkten enthaltenen Wertfraktionen an Arbeit, Energie und kreativer Leistung so lang wie möglich erhalten und der Zeitpunkt von deren Zerstörung so weit als möglich hinaus zu zögern sei. Dies könne durch zusätzliche Nutzungszyklen erreicht werden, die mittels Wiederverwendung, Wiederaufarbeitung und Reparatur ermöglicht werden könnten. Der Königsweg bestünde darin, Geschäftsmodelle zu entwickeln und anzubieten, bei denen nicht mehr Produkte, sondern der von den Kundinnen und Kunden benötigte Nutzen in Form eines umfassenden Service- und Managementpakets – z. B. zu Druckdienstleistungen – gekauft wird. Dabei entstünde ein genuines Herstellerinteresse an möglichst langen Lebensdauern, wodurch auch für notwendigen Änderungen des Produktdesigns deutliche Impulse zu erwarten seien.

In einer moderierten Podiums- und Publikumsdiskussion wurden diese Themen im Gespräch mit den beiden vorangegangenen Referenten noch einmal vertieft diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass Kundinnen und Kunden durchaus auch gebrauchte Produkte nachfragen, das Angebot jedoch häufig nicht verfügbar sei. Wenn man sich im Vergleich zu alten Smartphones, Notebooks etc. den Automobilbereich ansehe, falle auf, dass hier schon seit geraumer Zeit einen gut etablierten Gebrauchtwarenmarkt existiere. Hier bestünden online Vergleichsportale, bei denen gängige Qualitätskriterien für die Gebrauchtware für Kundinnen und Kunden transparent gemacht würden (z. B. Kilometerstände). Im IKT-Bereich gebe es das kaum. Einkäufer von Gebrauchtware hätten neben einer eventuell noch bestehenden Hersteller-Garantie, der Sauberkeit und oberflächlichen Gebrauchsspuren kaum Anhaltspunkte für die Qualität der gebrauchten Produkte. Bei Smartphone-Akkus könnte man z. B. auf die Anzahl erfolgter Ladezyklen abstellen. Aber auch die OEMs müssten hier mit ins Boot geholt werden durch eine Veränderung von deren Interessenlage in Bezug auf die Gerätelebensdauer weg vom Verkauf möglichst vieler Geräte, hin zum Verkauf des Nutzens, den die Geräte bringen. Auch hier könnten die öffentliche Beschaffung und weitere unterstützende Maßnahmen der Politik die Dynamik wirtschaftlicher Aktivitäten im Sinne der Kreislaufwirtschaft beflügeln. Die vielen in den BMBF-Projekten der r-Reihe entwickelten Lösungen und Innovationen werden trotz ihrer Wirtschaftlichkeit häufig nicht so schnell in die breite Umsetzung getragen, wie dies wünschenswert wäre, auch wegen weiterhin bestehender Investitionsrisiken bei der Hochskalierung der entwickelten Ansätze.

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Schlusswort

Im Schlusswort gab Dr. Harald Bajorat vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) einen kurzen Rückblick auf die im Verlauf der Konferenz besprochenen Themen. Die Diskussionsergebnisse und wertvollen im Verlauf der Konferenz erhaltenen Hinweise werden bei der weiteren Bearbeitung des Themenspektrums Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft – insbesondere auch bei der Erstellung des dritten Deutschen Ressourceneffizienzprogramms ProgRess III Eingang finden. Hervorzuheben sei insbesondere auch der wesentliche Beitrag, den eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten kann. Ein im jüngst von der Bundesregierung verabschiedeten Klimapaket enthaltenes geplantes Beratungs- und Investitionsförderprogramm werde dazu beitragen, die Treibhausgasvermeidungspotenziale der ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft möglichst umfassend auszuschöpfen und so bestehende Hemmnisse der Diffusion innovativer Technologien adressieren.

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