Nachbericht: RE vor Ort | Online am 09.09.2021

Thema: 2. Vernetzungstreffen Ressourceneffizienz durch Digitalisierung

Das „2. Vernetzungstreffen Ressourceneffizienz durch Digitalisierung“ fand am 09. September 2021 online als Ressourceneffizienz vor Ort-Veranstaltung des Netzwerks Ressourceneffizienz in Kooperation mit dem Beraternetzwerk FABRIKtester.de statt. 18 Personen nahmen an der Veranstaltung teil. Die Veranstaltung wurde vom VDI Zentrum Ressourceneffizienz und vom Beraternetzwerk FABRIKtester.de moderiert.

Ziel der Veranstaltung war es, den Austausch zum Thema Ressourceneffizienz mit dem Schwerpunkt Digitalisierung zu ermöglichen und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Plattform zur Vernetzung zu bieten. Dabei konnte aus den Erfahrungen gelernt werden, die in Unternehmen und von Digitalisierungsanbietern bereits gemacht wurden. Außerdem sollten Themenschwerpunkte herauskristallisiert werden, wie die Digitalisierung im Sinne der Ressourceneffizienz zukünftig noch zielgerichteter angewendet werden kann.

Das erste Vernetzungstreffen dieser Art fand am 18. März 2021 statt. Mit den „Vernetzungstreffen Ressourceneffizienz durch Digitalisierung“ soll ein Anwendernetzwerk zum regelmäßigen Austausch entstehen. Vor allem Personen, die bereits an einer Weiterbildung zum Thema Ressourceneffizienz durch Digitalisierung teilgenommen haben oder entsprechende Anwendungen in ihren Unternehmen oder Beratungen durchführen, können ihr Wissen bei den Vernetzungstreffen vertiefen sowie Chancen und Herausforderungen mit anderen Anwendern, Lösungsanbietern und Multiplikatoren diskutieren.

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Hier finden Sie noch einmal das Programm im Überblick:

Begrüßung und Moderation
Lising Kessler, VDI Zentrum Ressourceneffizienz, Berlin
Tobias A. Zorn, FABRIKtester.de, Berlin

Best-Practice: Die Blechwarenfabrik Limburg – Digitalisierung und Ressourceneffizienz im Unternehmen ganzheitlich planen und anwenden
Annika Trappmann, Blechwarenfabrik Limburg GmbH, Limburg

Best-Practice: ABL-TECHNIC Group – Ressourcen schonen durch Digitalisierung bei der Entlackung
Jochen Fickler, ABL-TECHNIC Group, Leutkirch

Digitalisierungstools in der Anwendung: KI-gestützte Akustikprüfung zur Qualitätssicherung
Sophie Schwandt, Porsche Digital GmbH, Ludwigsburg
 

Diskussionsrunde und offener Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmenden
 

Verabschiedung

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Annika Roth von der Blechwarenfabrik Limburg GmbH schilderte in ihrem Best-Practice-Vortag eindrucksvoll, wie die Blechwarenfabrik Limburg Digitalisierung und Ressourceneffizienz im Unternehmen ganzheitlich plant und anwendet. Die Blechwarenfabrik Limburg besteht seit 1872 und zählt heute rund 400 Mitarbeitende. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Produktion von Verpackungen aus Metall für chemisch-technische Füllgüter, beispielsweise Ringdosen, Kanister, Flaschen und konische Eimer.

Im Jahr 2014 entwickelte die Blechwarenfabrik Limburg GmbH den Plan, eine komplett neue Produktionsstätte außerhalb von Limburg zu bauen. Nach Ende der Bauphase (2016 bis 2018) begann der Umzug und wird bis 2021/2022 abgeschlossen. Bei der Planung und Umsetzung der neuen Produktionsstätte war das Thema Ressourceneffizienz (Material, Energie, Mitarbeitende) ein zentraler Punkt. Das Gebäude ist entlang des Materialflusses vom Wareneingang über die Produktion bis zum Warenausgang geradlinig konzipiert.

Beim Neubau wurden unter anderem Transport und Lagerung automatisiert. Durch fahrerlose Transportsysteme entstehen jetzt weniger Transportschäden und die Unfallgefahr wurde reduziert. Die Entsorgung ist nun in den Produktionsprozess integriert und ermöglicht so Recycling von „Produktionsabfällen“. Die Lagerung wurde auf einen kontinuierlichen Materialfluss umgestellt und auch hier erfolgen dadurch weniger Transportschäden.

Die Blechwarenfabrik Limburg nutzt an ihrer neuen Produktionsstätte die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet. So wurden die IT-Systeme des Unternehmens hochgradig miteinander vernetzt. Alle Daten laufen in einem Business Intelligence System (BI) zusammen, um ein stetes Monitoring der Betriebsabläufe zu gewährleisten (Überwachung aller Verbraucher, Reporting an Führung, Spitzenausgleich) und so Ausschuss zu minimieren, Stillstand zu vermeiden und Verschleiß zu erkennen.

Für die Reduzierung und Effizienzsteigerung der Energieaufwände wurden unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Strom: Automatisierung der Beleuchtung und Monitoring sämtlicher Verbräuche
  • Gas: Anschaffung einer effizienteren Lackieranlage und Umstellung von Gasöfen auf Induktionsöfen
  • Druckluft: Automatisierung der Abschaltung der Druckluftstränge und Monitoring der Verbräuche
  • Erneuerbare Energie: Installation einer 750 kwp PV-Anlage im Eigenverbrauch
  • Abwärmenutzung: Nutzung von Abwärme, um Gebäude zu kühlen und zu heizen

Unter dem Motto „Nur gemeinsam sind wir stark!“ spielt insbesondere auch die Mitarbeitendeneinbindung bei der Blechwarenfabrik Limburg eine große Rolle. Annika Roth betonte, dass es sehr wichtig ist, den Weg zu mehr Digitalisierung und Ressourceneffizienz gemeinsam zu gehen und die Mitarbeitenden frühzeitig einzubeziehen: von der Gestaltung der Arbeitsplätze (Ergonomie, Farbkonzept) und der Pausenräume (gemeinsamer Pausenraum, Schaffung von Kommunikationsflächen) in der neuen Produktionsstätte bis hin zur Einbindung aller Mitarbeitenden durch Transparenz und Kooperation.

Weitere Informationen zur Blechwarenfabrik Limburg GmbH finden Sie unter: www.blechwaren-limburg.de

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Jochen Fickler von der ABL-TECHNIC Group in Leutkirch gab in seinem Best-Practice-Vortrag einen Einblick, wie die ABL-TECHNIC Group durch Digitalisierung bei der Entlackung Ressourcen schont. Die ABL-TECHNIC Group ist der weltweit größte Entlacker. An 20 Standorten in 10 Ländern bietet das Unternehmen auf höchstem Standard Entlackungsverfahren an, immer mit dem Ziel für den Kunden einen optimalen Prozess zu bieten und dabei auch den Fokus auf Umweltverträglichkeit zu legen. Weltweit arbeiten daran über 600 Mitarbeitende seit über 40 Jahren.

Bei der Einführung von Digitalisierung im Unternehmen durchlief die ABL-TECHNIC Group folgende Schritte:

  • Bewertung des Status Quo: Prüfung des aktuellen Digitalisierungsgrades; Interne Bedürfnisse und Anforderungen (Unternehmensstrategie & Ziele); Positive und negative Aspekte / Erfahrungen bisheriger Digitalisierung / Herausforderungen
  • Entwicklung Strategie: Definition Ziele und Nutzen; Festlegung Maßnahmen digitale Transformation
  • Einführung / Umsetzung: Definition Standard; Priorisierung Maßnahmen; Projektplan zur Umsetzung; Projektleiter und Teams
  • KPI Messung und Finetuning: Erfolgsmessung / Zielerreichung; Wissensaustausch; Weiterentwicklung und Korrektur der Digitalstrategie

Insbesondere die Bewertung des digitalen Status Quo stellte eine Herausforderung dar, da der Digitalisierungsgrad an den 20 Standorten des Unternehmens komplett unterschiedlich ist – von keiner Erfassung bis hin zur automatisierten Regelung von Maschinen. Folgende interne Anforderungen wurden für die Bewertung des Status Quo erfasst:

  • Ziele? – Was sind unsere Ziele?
  • Nutzen? – Was hilft uns bei der Zielerreichung?
  • Zeit? – Zeitrahmen zur Umsetzung?
  • Ressourcen? – Kosten, Personal, Technik, etc.
  • Erfahrungen? – Was war bisher positiv / negativ?

Neben den unterschiedlichen Digitalisierungsgraden an den verschiedenen Standorten gibt es weitere Herausforderungen für die Digitalisierung des Unternehmens, wie z. B. unterschiedliche Sprachen und Länder, verschiedene Messsysteme, unterschiedliche Software und die Datenflut.

Hinsichtlich Ressourceneffizienz hat sich die ABL-TECHNIC Group bei der Entwicklung ihrer Digitalisierungsstrategie folgende Ziele gesetzt:

  • Materialeffizienz: Identifikation Verschwendung; Kreislaufführung; Ableiten von Optimierungsmaßnahmen
  • Energieeffizienz: Energiekostenverteilung; Identifikation Verschwendung; Ableiten von Optimierungsmaßnahmen
  • Prozesseffizienz: Prozessautomatisierung; Überwachung (Control Room); Ausfallsicherheit (TPM); Prozesssicherheit / Qualität

Außerdem wurden Maßnahmen zur digitalen Transformation definiert, wie z. B. Vernetzung von Sensoren und Aktoren, dezentrale Steuerung, Prädiktive Wartung und Cloud Computing.

Umgesetzt wurden bisher u. a. die Messung aller Energieverbraucher, die Einführung einer Software zur Auswertung der Energieverbraucher, die Energiekostenverteilung, die Identifikation von Energieverschwendungen, das Ableiten von Optimierungsmaßnahmen Energieeffizienz sowie die Festlegung eines Standards für das Prozess Monitoring. Die nächsten Schritte werden die Umsetzung des Prozess Monitorings – samt der Installation von Messungen – sowie die Einführung einer ERP Software und eines Dashboards (Control Room) sein.

Das Fazit von Jochen Fickler zu den bisher durchgeführten Schritten lautet, dass eine enorme Transparenz der Energieverbraucher hergestellt sowie Einsparungen im Bereich Energie von ca. 18 % erzielt werden konnten. Außerdem besteht nun ein besseres Verständnis der Anlagen und der Prozesse. Da die internen Ressourcen aktuell nicht ausreichend sind, um alle Maßnahmen auf einmal durchzuführen, ist eine Priorisierung nötig.

Weitere Informationen zur ABL-TECHNIC Group finden Sie unter: www.abl-technic.de

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In Ihrem Vortrag „KI-gestützte Akustikprüfung zur Qualitätssicherung“ zeigte Sophie Schwandt von der Porsche Digital GmbH in Ludwigsburg ein Anwendungsbeispiel aus der Automobilindustrie. Porsche Digital ist eine hundertprozentige Tochterfirma der Porsche AG und ist weltweit mit über 200 Mitarbeitenden in den Geschäftsfeldern Industry Solutions (Neue Endkundengeschäftsmodelle), Customer Solutions (Software Produkte für Industrieprozesse) und Digital Ecosystem & Venturing (Über Unternehmensgrenzen hinweg investieren) tätig. In allen Bereichen wird das Know-how von Porsche genutzt.

Zur KI-gestützten Erkennung von Störgeräuschen in der Produktion und Entwicklung hat die Porsche Digital GmbH das modulare System SOUNCE entwickelt. Bei Geräuschen stellt sich das Problem, dass sie Informationen enthalten, die schwer zu verarbeiten sind. Ein Geräusch kann als Indikator für Funktionalität und wahrgenommene Qualität dienen. Häufige Herausforderungen hierbei sind jedoch, dass Geräusche subjektiv bewertet werden, die Wahrnehmung an die Arbeitszeit gekoppelt und personalintensiv ist und dass Geräusche im Nachhinein schwer nachvollziehbar sind.

Das modulare System SOUNCE ermöglicht eine Fehlererkennung auf Basis von Geräuschprüfung, ist rund um die Uhr digital verfügbar und gibt eine objektive Bewertung. Es kann in verschiedensten Prozessen in der Produktion sowie in der Forschung und Entwicklung, z. B. bei sich bewegenden, vibrierenden oder rotierenden Teilen und Komponenten, eingesetzt werden. Mit Hilfe der akustischen Bewertung werden Funktionalität und Material getestet.

Die Porsche Digital GmbH geht nach dem CRISP-DM-Modell vor, um das KI-Modell des Systems SOUNCE zu trainieren – vom Problemverständnis über Datenverständnis, Datenvorbereitung, Modelltraining, Evaluierung bis hin zum Deployment. Sophie Schwandt betonte dabei, dass ein gutes KI-Modell-Training ziel- und problemorientiert, iterativ und interdisziplinär sein sollte. Sie erläuterte das iterative Vorgehen nach dem CRISP-DM-Modell anhand eines Beispiels bei der Produktion und dem Zusammenbau einer Autotür. Außerdem ging sie noch einmal vertieft auf das Thema „Lösungswege zur Detektion von Fehlern mittels Machine Learning” ein.

Zum Abschluss ihres Vortrags nannte Sophie Schwandt folgende Erfolgskriterien beim Einsatz von künstlicher Intelligenz:

  • Fokus legen auf gemeinsames Problem- und Zielverständnis!
  • Brücke schlagen zwischen Data Science und Domain-Knowhow
  • Zeit investieren in qualitativ hochwertige Daten
  • Verständnis beim Anwender dafür schaffen, wie künstliche Intelligenz funktioniert
  • Machine Learning Operations haben andere Anforderungen als traditionelle Ops hinsichtlich Versionierung, Live-Überwachung und Transparenz/Reproduzierbarkeit
  • Transparenz & strukturelles Vorgehen zahlt sich aus - immer!

Weitere Informationen zur Porsche Digital GmbH finden Sie unter: www.porsche.digital

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In den Fragen und Diskussionen im Anschluss an die Vorträge zeigte sich ein großes Interesse u. a. an den notwendigen Schritten, um Digitalisierungsstrategien in Unternehmen zu planen und umzusetzen. Es wurde diskutiert, ob und wie Lösungen im Bereich Digitalisierung oder KI zunächst für einzelne Teile des Unternehmens gefunden und zu einem späteren Zeitpunkt erweitert oder zusammengeführt werden können. Außerdem wurde besprochen, wann und wo es sinnvoll ist, eigene Digitalisierungslösungen zu entwickeln oder auf bestehende Angebote auf dem Markt zurückzugreifen.

Es ist geplant, im Frühjahr 2022 das nächste Vernetzungstreffen Ressourceneffizienz durch Digitalisierung durchzuführen und somit den Austausch zum Thema weiter zu fördern und voranzubringen.

Weitere Informationen zum Beraternetzwerk FABRIKtester.de und zu Herrn Tobias A. Zorn finden Sie unter: www.fabriktester.de

Weitere Informationen zur VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH und zu den Weiterbildungen „Ressourceneffizienz durch Digitalisierung“ finden Sie unter: www.ressource-deutschland.de und www.qualifizierung-re.de

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