Ort: Veranstaltungshof des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Berlin
Datum: 12.06.2017
Einführung, Begrüßung, Keynote
Über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, NGOs und Wissenschaft kamen zur 19. NeRess-Konferenz unter dem Titel „Die digitale Transformation – Chancen und Herausforderungen für Ressourceneffizienz“ am 12. Juni 2017 im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Berlin zusammen.
In seinem Begrüßungsvortrag betonte der Geschäftsführer des VDI ZRE, Dr. Martin Vogt, die zusätzlichen Chancen, die für Unternehmen mit der Digitalisierung von Produktionsprozessen einher gehen, wenn diese konsequent zur Steigerung der Ressourceneffizienz genutzt wird. Die systematische Erhebung und Auswertung ressourcenbezogener Produktionsdaten ermöglicht die Erschließung bisher brach liegender Potenziale zur Optimierung der Produktionskosten und damit zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Dabei werde das VDI ZRE die Unternehmen aktiv unterstützen.
Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), hob in seiner Keynote die besondere Bedeutung hervor, die das BMUB dem Thema Digitalisierung beimisst. Das Ministerium beteiligt sich intensiv an der Debatte und setzt sich dafür ein, dass die Entwicklungen in verschiedenen Anwendungsfeldern der digitalen Transformation ökonomisch, sozial und ökologisch erfolgreich verlaufen. Dass neben dem BMUB auch vier Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz – die vom VDI ZRE betreute Studie mit finanziert und beauftragt haben, belegt ebenso wie die hohe Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Konferenz die große Bedeutung, die der integrierten Betrachtung von Digitalisierung und Ressourceneffizienz zukommt. Die Digitalisierung sei eine der zentralen Herausforderungen der Unternehmen in Deutschland und könne sich gleichzeitig zu einer ihrer Kernkompetenzen entwickeln, wenn sie richtig angepackt würde. Sie biete erhebliches Potenzial, wesentlich zum Erreichen der Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beizutragen.
Prof. Dr. Liselotte Schebek von der Technischen Universität Darmstadt stellte das Vorgehen und die Ergebnisse der Studie im Überblick dar. Ausgangsfragen waren, was Ressourceneffizienzmaßnahmen der digitalen Transformation genau sind und wie verbreitet sie in KMU des verarbeitenden Gewerbes sind. Im Ergebnis messen die Unternehmen der Digitalisierung zwar einen hohen Stellenwert bei, sind jedoch bei der Umsetzung noch in einem frühen Stadium. Gleichzeitig findet die Umsetzung noch überwiegend getrennt von Umwelt- und Nachhaltigkeitsüberlegungen statt. Elf Maßnahmenkategorien wurden in zehn detaillierten Fallbeispielen untersucht: Fünf im Maschinenbau, drei in der Kunststoffindustrie und zwei in der Elektroindustrie. Bei der Ermittlung von Ressourceneffizienzpotenzialen wurde nach der Methodik der VDI Richtlinie 4800 Blatt 1 vorgegangen. Ressourceneinsparungen wurden Ressourcenaufwendungen über den gesamten Lebensweg hinweg gegenüber gestellt. Daraus ging hervor, dass Einzelfallbetrachtungen von hoher Bedeutung sind und Digitalisierung allein nicht per se zu einem effizienteren Einsatz natürlicher Ressourcen führt. Ein Kernergebnis war auch die überwiegend mangelhafte Datenlage zu inner- und außerbetrieblichen Ressourcenströmen. Aufbauend auf die Studienergebnisse wurden erste Handreichungen für KMU entwickelt, wie sie sich dem Thema Digitalisierung für mehr Ressourceneffizienz annähern können.
Es folgte die ausführliche Darstellung von drei betrieblichen Praxisanwendungen der Digitalisierung zur Steigerung der Ressourceneffizienz in Unternehmen. Dirk Breitkreuz von der WETROPA Kunststoffverarbeitung GmbH & Co. KG beschrieb den Weg, wie das Unternehmen eine jederzeit für Kundinnen und Kunden nutzbaren Onlineschnittstelle geschaffen und ihnen damit den direkten Zugriff auf die Produktion ermöglicht hat. Die Konfiguration der Produkte wurde digital auf die Kundinnen und Kunden verlagert, bei automatisierter Qualitätssicherung und einem besseren Ergebnis, das in kürzerer Zeit erzielt wird. Die Automatisierung der Schnittstellen wurde mit dem Ergebnis einer geringeren Fehleranfälligkeit, weniger Zeitaufwand und einem geringeren Personalaufwand realisiert. Die Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Prozess sei extrem wichtig, um z. B. vorab zu klären, dass der reduzierte Personalaufwand eher zu einer Optimierung des Aufgabenspektrums und der Auslastung und nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen führe. Gleichzeitig sei die Datenübertragungsinfrastruktur z. T. noch ein Hemmnis für den breiten Ausbau derartiger Geschäftsmodelle.
Im nachfolgenden Fallbeispiel erläuterte Werner Landhäußer von der Mader GmbH & Co KG, wie die Digitalisierung von Teilprozessen zur Optimierung des Managements von Druckluftsystemen genutzt werden kann. Durch die Erhebung und systematische Auswertung von Daten zu Leckagen, habe sich die Investition für die Maßnahme innerhalb weniger Wochen amortisiert. Die höhere Prozesstransparenz ermöglichte vorher ungeahnte Möglichkeiten des Monitorings und der Einflussnahme auf Abläufe. Geschäfte könne man dann abschließen, wenn man v. a. den auf Kosteneinsparungen beruhenden ökonomischen Mehrwert von Maßnahmen belegen könne und dies wird durch die im Rahmen der Digitalisierung geschaffenen Transparenz sichergestellt.
Im Rahmen des dritten Fallbeispiels stellte Stefan Grimm von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten die Ergebnisse des DBU-Projekts IEREGUSS – Intelligente Energie- und Ressourceneffizienz in Eisengießereien – vor. Dabei wurde eine neue Prozessdefinition für die Gießerei entworfen, in die Schnittstellen für die elektronische Erfassung von Daten eingefügt wurden. Mittels an die Gussformen und -pfannen angebrachten Barcodes, die in einem vordefinierten Prozess von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgelesen werden, können nun Daten zu Materialzusammensetzungen, Temperaturen und Zeitpunkten erfasst und zur Prozessoptimierung ausgewertet werden. Dies ermöglicht die Einsparung von Energie, Zeit und Material. Das zweite und dritte Fallbeispiel können auch im Webvideomagazin des VDI ZRE in Form eines Films angesehen werden: http://www.ressource-deutschland.tv/themen/allgemeines/industrie-4-0-leicht-gemacht-material-und-energie-sparen-durch-apps/.
Im Rahmen der Podiumsdiskussion „Ressourceneffizienz in der Digitalisierung aus Sicht der Länder“ stellten Vertreter von Landesministerien aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz eigene und gemeinsame Aktivitäten in den Bereichen Ressourceneffizienz und Digitalisierung vor. Es wurde der Wunsch deutlich, beide Bereiche noch stärker miteinander zu verzahnen. Zu beiden Schwerpunkten bestehen bereits Angebote und Aktivitäten, die weiter ausgebaut werden. Konkret werden Unternehmen mit Beratungs-, Umsetzungsprojekten und Dialogplattformen dabei unterstützt, ihre Ressourceneffizienz mittels digitaler Lösungen zu steigern. Weitere Ansätze sind der Aufbau von Demonstratoren oder die Forschungsförderung. In der verstärkten Kooperation der Länder untereinander wurden weitere Synergiepotenziale gesehen. Die Ergebnisse der gemeinsam mit dem BMUB beauftragten Studie seien für die weitere Arbeit sehr hilfreich und werden wesentlich zur Fortentwicklung eigener Aktivitäten beitragen.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion „Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Ressourceneffizienz“ diskutierten Stakeholder aus unterschiedlichen Bereichen die Ergebnisse der Studie, wesentliche Fragen der weiteren Entwicklung und anstehende Schritte. Thematisiert wurde zunächst die Notwendigkeit, Ressourcenaspekte stärker in die Hauptarenen der Industrie 4.0 Debatte einzubringen und daran anknüpfend möglichst auch gemeinsame Aktivitäten anzustoßen. Eine nachhaltige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen durch digitale Lösungen erfordere die systematische Ausnutzung der damit verbundenen Ressourceneffizienzpotenziale. Wie genau die Vielzahl möglicher Optimierungslösungen in den einzelnen Anwendungen konkret aussehen, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar. Wichtig ist es zunächst, die ressourcenrelevanten Daten zu erheben, aus deren Auswertung die Optimierungspotenziale resultieren. Sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen, ist für die Unternehmen unvermeidlich, daher sollten sie die damit verbundenen Potenziale ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern nutzen. Ein akteurübergreifender Konsens bestand darin, dass eine verbesserte Datenlage zu den vordringlichen Handlungsprioritäten gehört. Schließlich wurde auch hier betont, wie wichtig es sei, Einzelfallbetrachtungen und -optimierungen durchzuführen, um unterschiedlichen Charakteristika und Sachlagen gerecht zu werden.
In seinem Schlusswort fasste Dr. Axel Borchmann vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Ergebnisse der Konferenz zusammen und gab einen Ausblick auf Fragen, die im Nachgang zu beantworten sein werden. Dass ein intensiver Zusammenhang zwischen der digitalen Transformation und der Ressourceneffizienz bestehe, stehe außer Frage. Dass die Digitalisierung kein Selbstzweck sei und gesellschaftspolitischen Zielen dienen müsse, wurde hervorgehoben. Das BMUB wird sich weiter für eine Realisierung der Chancen der Digitalisierung einsetzen. Alle Stakeholder sind herzlich dazu eingeladen, sich mit eigenen Beiträgen an den Diskussionen zur Vorbereitung der Ausgestaltung konkreter Handlungsansätze im Bereich Digitalisierung für Ressourceneffizienz im Rahmen des für 2020 anstehenden dritten Ressourceneffizienzprogramms der Bundesregierung einzubringen.