Ort: Online
Datum: 22.06.2020
Über 190 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft haben online per Webstream an der 23. NeRess-Konferenz unter dem Titel „Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm III“ am 22. Juni 2020 teilgenommen. Diese Rekordteilnahme bedeutet fast eine Verdopplung im Vergleich zu den bisher physisch durchgeführten Veranstaltungen dieser Reihe. In seinem Begrüßungsvortrag erläuterte Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz, den thematischen Schwerpunkt und den Ablauf der Veranstaltung. Thema der Veranstaltung war die dritte Fortschreibung des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess III), das am 17.06.2020 vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Eine Besonderheit des Programms ist, dass es ein Programm der gesamten Bundesregierung ist, an dessen Erstellung verschiedene Bundesressorts beteiligt waren.
Florian Pronold, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) betonte in einem als Videobotschaft übermittelten Grußwort die besondere Bedeutung des gegenseitigen Austauschs sowie der Vernetzung für ein erfolgreiches Fortkommen im Bereich Ressourceneffizienz. Die erste öffentliche Diskussion des vom Bundeskabinett beschlossenen Deutschen Ressourceneffizienzprogramms in seiner dritten Fortschreibung, findet bei der heutigen Netzwerkkonferenz des Netzwerks Ressourceneffizienz statt. Der Austausch von Einschätzungen und Sichtweisen zur aktuellen Situation und über mögliche Wege, die ökologischen und ökonomischen Chancen der Ressourceneffizienz zu nutzen, ist vielversprechend und soll – nicht nur in diesem Format – weiterhin verfolgt werden. Gegenüber dem Bundestag ist die Bundesregierung verpflichtet, alle vier Jahre über den Fortschritt der Umsetzung von ProgRess III zu berichten und Vorschläge zu machen, was man noch besser machen kann. Das heimliche Motto von ProgRess ist es, Gutes noch besser zu machen. Das steht im Zentrum der Programmatik sowie der Diskussion darum.
Dr.-Ing. Christoph Epping, Unterabteilungsleiter Ressourcenschutz, Kreislaufwirtschaft im BMU beantwortete in seinem Vortrag „Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm III“ wesentliche Leitfragen zur Ressourcenpolitik der Bundesregierung. Zur Einordnung verwies er darauf, dass das Programm knapp 120 Maßnahmen umfasst, von denen knapp 30 als prioritär gekennzeichnet sind. Als prioritär wurden Maßnahmen eingeordnet, bei denen entweder großes Ressourceneffizienzpotenzial oder (bzw. und) eine rasche Umsetzung in Aussicht stehen. Neue Akzente, die mit der Fortschreibung gesetzt werden, umfassen z. B. die stärker gemeinsame Betrachtung von Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft sowie die engere Verknüpfung der Handlungsansätze in den Bereichen Energie- und Materialeffizienz. Ökologische und ökonomische Potenziale der Ressourceneffizienz werden weiterhin in verschiedensten Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft gesehen, es bleibt also weiterhin „Luft nach oben“. Der Earth Overshoot Day, an dem der Ökologische Fußabdruck der zur Verfügung stehenden ökologischen Kapazität der Erde für ein bestimmtes Jahr bereits erreicht ist, zeigt deutlich den ökologischen Handlungsbedarf auf. Gleiches gilt für das zuletzt anschaulich vom Weltressourcenrat bekräftige Klimaschutzpotenzial der Ressourceneffizienz – bzw. die aktuelle Klimaintensität der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung. Glücklicherweise besteht an dieser Stelle eine Win-Win-Situation mit verschiedenen ökonomischen Zielen, wie der Steigerung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit oder der Unabhängigkeit von internationalen Rohstoffmärkten. Mit den in ProgRess III enthaltenen Handlungsansätzen leistet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag, diese Potenziale zu erschließen.
Im Anschluss daran moderierte Herr Dr. Vogt die Diskussion mit Dr.-Ing. Christoph Epping vom Bundesumweltministerium, Dr. Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Sebastian Hummel vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen sowie Sylvi Claußnitzer vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. zum Stand und zu konkreten Chancen, die ProgRess III in ökologischer und ökonomischer Hinsicht bietet. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass eine große Bandbreite unterschiedlicher Handlungsfelder in verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft bestehen. Es wurde von allen Beteiligten betont, wie wichtig die wertschöpfungsstufenübergreifende Betrachtung bei der Bewertung konkreter Maßnahmen ist. So spielen etwa Transportentfernungen und -infrastrukturen eine wesentliche Rolle für die weitere Optimierung und Ausweitung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft im Bausektor.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass der Effizienzansatz ganz wesentlich zum Erreichen ökologischer Ziele, wie auch dem Schutz des Klimas, beiträgt, wenn er auch für sich allein betrachtet nicht ausreicht, um das Erreichen aller Umweltziele sicherzustellen. Kontrovers diskutiert wurde die Frage der Setzung absoluter Grenzen für den Ressourcenverbrauch. Es wurde deutlich, dass nur eine starke Wirtschaft die erforderlichen Transformationsprozesse erfolgreich meistern kann. Die Umstellung von Produktions- und Verarbeitungsprozessen sowie die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle zur Reduzierung des Ressourceneinsatzes für die Bereitstellung eines bestimmten Angebots bietet vielfältige konkrete Ansatzpunkte, die wesentliche ökologische Verbesserungen bei gleichzeitig ebenfalls positiven betriebs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen zeitigen können.
Diskutiert wurde auch über die Möglichkeiten und Chancen einer weiteren Vernetzung von Akteuren, einer engeren Zusammenarbeit der politischen Ebenen sowie stärkerer inhaltlicher und institutioneller Verknüpfungen z. B. zwischen Material- und Energieeffizienz bzw. zwischen Ressourceneffizienz- und Klimaschutzpolitik. Schließlich wurde von verschiedenen Teilnehmenden betont, dass die durch die Corona-Pandemie eröffneten Chancen einer stärkeren Digitalisierung insbesondere des Arbeitens, auch für die Zeit nach der Ausnahmesituation im Sinne der Ressourceneffizienz weiterhin genutzt werden sollten. Dies betrifft z. B. konkret die Reduzierung von Ressourcenaufwand im Bereich Verkehr und Transport zugunsten der virtuellen Durchführung von Veranstaltungen und Gesprächen bzw. das Arbeiten im Home Office. Auch hier ist jedoch der zusätzliche Ressourcenaufwand mit zu berücksichtigen, der durch zusätzliche Rechenkapazitäten, entsprechende Infrastrukturen und zusätzlichen Datenverkehr entsteht.
Chancen, die von allen Beteiligten gesehen werden liegen z. B. in den Bereichen Predictive Maintenance, sensorgestützte Verfahren für die Wartung, Weitergabe von Material und Produktinformationen über die Wertschöpfungskette durch neue Möglichkeiten der Digitalen Transformation, neue Geschäftsmodelle wie Chemical Leasing, ökologisches Produktdesign und in vielen weiteren Bereichen, die durch ProgRess III adressiert und vorangetrieben werden. Vieles davon kann zunächst in Deutschland begonnen werden. Bei steigendem Ambitionsgrad – insbesondere im Bereich regulativer oder fiskalischer Maßnahmen – spielt zunehmend die Einbindung der europäischen sowie internationalen Ebene eine entscheidende Rolle.