Ort: Online
Datum: 07.12.2020
Rund 130 Teilnehmende aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft haben am 07. Dezember 2020 online per Webstream an der 24. NeRess-Konferenz unter dem Titel „Unternehmen in der Transformation: Mit Digitalisierung und Ressourceneffizienz gestärkt aus der Krise“ teilgenommen.
In seiner Begrüßung erläuterte Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE), den thematischen Schwerpunkt und den Ablauf der Veranstaltung. In Vorträgen und Diskussionen wurde der Frage nachgegangen, wie Unternehmen durch aktive Maßnahmen der Digitalisierung, Dekarbonisierung und Ressourceneffizienz eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Herausforderungen wie dem durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten globalen ökonomischen Schock erreichen und gestärkt aus derartigen Krisen hervorgehen können.
Dr. Regina Dube, Abteilungsleiterin Wasserwirtschaft, Ressourcenschutz, Anpassung an den Klimawandel im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) verwies darauf, dass – verständlicher- und notwendigerweise – alle Augen derzeit stark auf kurzfristige, schnell wirkende Maßnahmen wie die Kompensation von Liquiditätsengpässen, Verlustausfällen oder Arbeitsplatzverlusten gerichtet sind. Um langfristig ökonomisch erfolgreich und gestärkt aus der Krise hervor zu gehen, müssen schon jetzt bei den Investitionen und Hilfsmaßnahmen langfristige Trends wie der Klimaschutz und die Digitalisierung mit in den Blick genommen werden. Die COVID-19-Pandemie hat schonungslos offengelegt, wie vulnerabel unsere Rohstofflieferketten sind. Die Digitalisierung bietet eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten, den effizienten Einsatz von Energie und Material sowie die Kreislaufführung von Materialien in verschiedenen Branchen, Wirtschaftsbereichen und Wertschöpfungsketten zu steigern.
Die Steigerung der Ressourceneffizienz bietet nicht nur die Chance, eine höhere ökonomische Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen und eine größere Unabhängigkeit gegenüber Entwicklungen in Rohstofflieferketten und auf Rohstoffmärkten zu erreichen, sondern leistet auch einen unverzichtbaren Beitrag auf dem Weg zum Ziel der Klimaneutralität in 2050. Die Umweltpolitische Digitalagenda des BMU zeigt mit ihrem strategischen Ansatz und ihren 70 konkreten Maßnahmen, wie durch ambitioniertes Handeln Fortschritte erreicht werden können. Ressourceneffizientes Design, ressourceneffiziente IKT, die Digitalisierung und Vernetzung der industriellen Produktion, ressourceneffiziente Lieferketten oder Maßnahmen im Bereich ressourceneffizienter Mobilität bieten ein breites Spektrum vielversprechender Ansatzpunkte, die mit profitablen Geschäftsmöglichkeiten verbunden sind und sich auch ökologisch auszahlen. Die bewährte Arbeit des VDI ZRE im Bereich der Informationsangebote sowie der Vernetzungsarbeit im Netzwerk für Ressourceneffizienz (NeRess) sowie die des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung im Netzwerk Bildung für Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz (BilRess) sind wesentliche Erfolgsfaktoren dafür, diese Potenziale weiterhin zu heben uns so auch die Krisenfestigkeit der Wirtschaft nachhaltig zu erhöhen.
Dr. Hubertus Bardt, Geschäftsführer des IW Köln erläuterte in seinem Vortrag „Zwischen ökonomischer Krise und klimafreundlichem Umbau: Die aktuelle Situation der Unternehmen im Überblick“ die drei ökonomischen Krisen, in der sich die deutsche Wirtschaft aktuell befindet. Zunächst besteht die durch die COVID-19-Pandemie verursachte Krise von Gesundheit und Ökonomie. Darüber hinaus besteht bereits seit 2018 eine Konjunkturkrise und schließlich auch eine Strukturkrise. Die Lösung liegt in Ansätzen der traditionellen Industriepolitik: Mit einer aktiven Innovationspolitik, einer aktiven Infrastrukturpolitik sowie der Nutzung möglicher Ansatzpunkte im Bereich der Unternehmensbesteuerung kann der Versuch unternommen werden, aus der Krise heraus zu wachsen. Zahlen zu verschiedenen Aspekten der ökonomischen Entwicklung zeigen, dass zwar auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene bereits eine weitgehende Erholung nach dem starken ökonomischen Einbruch vom Frühjahr 2020 zu erkennen ist, die Konjunktur- und Strukturkrise jedoch noch nicht überwunden sind. Es war und ist richtig, zunächst die kurzfristigen ökonomischen Herausforderungen der Krise durch zielgerichtete politische Maßnahmen abzufedern. Zusätzlich sind im nächsten Schritt auch Maßnahmen nötig, die den erforderlichen Strukturwandel in der Wirtschaft nachhaltig unterstützen. Denn die Investitionen von heute sind die Effizienzsteigerungen von morgen. Die digitale Transformation und die Dekarbonisierung der Wirtschaft können nur gelingen, wenn die hierfür notwendigen Investitionen ermöglicht werden.
Dr. Florian Roth, Projektleiter, am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung erläuterte in seinem Vortrag anschaulich, wie Erkenntnisse aus der Resilienzforschung Unternehmen in der COVID-19-Krise helfen können. Der Fokus lag hierbei auf den konkreten Eigenschaften von Dingen, Individuen, Organisationen bzw. Systemen, die deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen zugrunde liegen. Es ging um die Fähigkeit, nach Krisen und Schocks möglichst schnell und nachhaltig wieder in einen akzeptablen Gleichgewichtszustand zurückzukehren. Diese Fähigkeit besteht nicht nur bei Gegenständen, wie speziell konstruierten Produkten, sondern auch bei Personen, Unternehmen und wirtschaftlich-gesellschaftlichen Teilsystemen sowie Ökosystemen insgesamt. Auf der Ebene von Personen wurden als Erfolgsbedingungen für eine Erholung eine hohe Anpassungsfähigkeit an widrige Umstände, ein stabiles Wertesystem, gute soziale (Ver-)Bindungen sowie Kreativität identifiziert. Übertragen auf Unternehmen scheinen eine hohe Innovations- und Transformationsfähigkeit, ein hohes Maß an Vernetzung sowie die Fähigkeit zur Veränderung von Strukturen und Geschäftsfeldern von besonderer Bedeutung. Es geht bei der Resilienz im Kern um die Eigenschaft, Schocks zu absorbieren, zu lernen, sich anzupassen, Kernfunktionen aufrecht zu erhalten, und schnell wiederherzustellen. Dabei gehen die Systeme nicht nur zurück in den alten Zustand, sondern im Ergebnis ist eine Transformation, eine Innovation sichtbar, so dass das Unternehmen seiner Umwelt im Ergebnis besser angepasst ist als vorher.
Im Anschluss daran moderierte Herr Dr. Vogt die Diskussion zwischen Cornelia Lamers, Abteilungsdirektorin Umwelt der KfW Bankengruppe, Anja Vedder, Managing Director der Industrial Analytics IA GmbH, Nils Britze, Bereichsleiter Digitale Geschäftsprozesse der Bitkom e.V. sowie Andreas Kunsleben, Leiter des Geschäftsfelds Beratung der Effizienz-Agentur NRW zu aktuellen und künftigen Herausforderungen und Chancen für Unternehmen. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass der Fokus der Aufmerksamkeit sowohl in der Politik, als auch in der Wirtschaft aktuell darauf liegt, die Wirtschaft und die Unternehmen am Leben zu erhalten und das Kerngeschäft gestärkt durch und aus der Krise heraus zu führen. Die Investitionsspielräume für betriebliche Umweltaktivitäten sind durch die COVID-19-Pandemie bei der Mehrzahl der Unternehmen gesunken. Auch die Aufmerksamkeit, die für Beratungsaktivitäten für eventuelle betriebliche Entwicklungspotenziale im Bereich Ressourceneffizienz besteht, ist durch die Krise gesunken.
Gleichzeitig hat in der Wirtschaft ein wahrer Digitalisierungsschub statt gefunden, der bis dahin so nicht absehbar war und in großen Teilen erst durch die Krise ermöglicht wurde. Die Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“, die eine Woche zuvor beim Digital-Gipfel vorgestellt wurde kommt zu dem Ergebnis, dass die Entlastungseffekte den eigenen Carbon Footprint der Digitalisierung um ein Vielfaches übersteigen. Der Ifo-Digitalisierungs-Index ist Anfang 2020 massiv eingebrochen, dann kam eine Erholung, aktuell scheint es eine Abwartehaltung zu geben. Im Bereich digitales Büro ist in den letzten Monaten eine gewisser Auftrieb festzustellen. In Zeiten der COVID-19-Pandemie liegt hier ein zentraler Schlüssel zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit von Unternehmen.
Bestehende Förderangebote im Bereich der Corona-Hilfen werden von den Betrieben gut angenommen. Aber auch die Inanspruchnahme der Fördermittel beim Umweltinnovationsprogramm befindet sich weiterhin auf hohem Niveau. Die Unternehmen bzw. unterschiedliche Geschäftsbereiche von Unternehmen sind von der Krise unterschiedlich stark betroffen, was sich auch auf die jeweiligen Wertschöpfungsketten sowie die Nutzung von Förder- und Beratungsangeboten im jeweiligen Bereich niederschlägt. Auch Unternehmen, die beispielsweise Softwarelösungen im Bereich Prozessmonitoring für die Grundstoffindustrie anbieten, wie die Industrial Analytics IA GmbH, bekommen den Konjunktureinbruch in ihren Abnehmerindustrien zu spüren.
Der Blick in die Zukunft zeigt, dass eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für Anreize für Investitionen, die Unternehmen im Bereich Klimaschutz und Digitalisierung voranbringen können, weiterhin ein Kernaspekt der politischen Unterstützung sein müssen. Hierbei geht es neben Beratungs- und Investitionsförderung auch um flankierende Maßnahmen z. B. im Bereich Fachkräfte, insbesondere im Bereich IT, sowie die bessere Förderung von Aus- und Weiterbildung. Die digitale Infrastruktur ist teilweise immer noch lückenhaft. Insbesondere in ländlichen Regionen ist die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der Internetinfrastruktur weiterhin ein wichtiger Ansatzpunkt, auch für die Erholungsfähigkeit der Unternehmen nach der Krise.
Bei der Vorstellung des ersten Unternehmensbeispiels in diesem Block erläuterte Carsten Sühling, Geschäftsführer des mittelständischen, familiengeführten Maschinenbauunternehmens Spaleck GmbH & Co. KG, wie Unternehmen mit nachhaltigen Innovationen und neuen Geschäftsfeldern gestärkt aus der Krise hervorgehen können. Das Unternehmen bietet selbst Siebmaschinen für die Recyclingindustrie, Lösungen der Abwasser- und Wasseraufbereitungstechnologie sowie Komponenten für Hersteller von Produkten der nachhaltigen Mobilität wie insbesondere Züge und Schienenfahrzeuge an. Obwohl das Unternehmen selbst recht stark von der Krise betroffen ist, blickt es weiterhin positiv in die Zukunft und hält bewusst an der klaren Ausrichtung auf die Nachhaltigkeit fest. Die Klimakrise wird nicht wie die Coronakrise weggeimpft werden können. Vom Umbau für den Klimaschutz wird das Unternehmen langfristig profitieren – die Nachfrage nach den angebotenen Produkten wird weltweit weiterhin steigen. Durch solides Wirtschaften in der Vergangenheit konnte eine ausreichende Resilienz für das Durch- und Überstehen der Krise erreicht werden.
Bereits in der Vergangenheit wurden im Unternehmen selbst umfangreiche Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz umgesetzt, wie der Komplettumstieg auf grünen Strom, die Entsiegelung von Flächen des Unternehmens inklusive Renaturierungsmaßnahmen zur Steigerung der Biodiversität; es folgt eine Maßnahme zur Dachbegrünung. Auf dem Dach ist auch eine Photovoltaikanlage installiert. Schließlich bemüht sich das Unternehmen um eine effizientere Produktion: Z. B. wurde die Verschachtelung im Bereich der Bleche über eine innovative Software optimiert; aktuell läuft noch die Suche nach Vermarktungsmöglichkeiten für Restbleche, die vielfach noch im Abfall landen. Ein großes aktuelles Thema sind die prozessbedingten Emissionen einer im Bereich der Bleche eingesetzte Laserschneidtechnologie.
Abschließend berichtete Annette Hering, Geschäftsführerin der Hering Bau GmbH & Co. KG von der Mitarbeitereinbindung für Ressourceneffizienz als zentralem Schlüssel für den betrieblichen Zusammenhalt und die Resilienz. Das Unternehmen verfügt seit 1996 über ein EMAS zertifiziertes Umweltmanagementsystem. Damit war es damals das erste Bauunternehmen in der EU. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden u. a. über einen Umweltmanagementausschuss und einen Arbeitskreis Entwicklung in die Transformationsprozesse mit eingebunden. Zur Optimierung der Klimabilanz wurden bei einem vom Unternehmen betriebenen Betonfertigteilwerk in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten Textilbetonkonzepte bis zur Marktreife entwickelt. Die selbst gesetzten Flottengrenzwerte der betriebseigenen Fahrzeuge für Energie und CO2 sind anspruchsvoll und werden auf Grundlage eigener Meßtechnik überprüft. Durch seine breite Produktpalette besitzt das Unternehmen zwar eine ausreichende Resilienz gegenüber der COVID-19-Krise, ist jedoch dennoch in verschiedenerlei Hinsicht relativ stark betroffen und kann auch von den bisher beschlossenen politischen Unterstützungsmaßnahmen nur sehr bedingt profitieren. Dennoch schaut es optimistisch in die Zukunft und will weiterhin durch aktives Gestalten des notwendigen Strukturwandels gestärkt aus der Krise hervor gehen.