Ort: Online
Datum: 06.12.2021
Rund 230 Teilnehmende aus Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft haben am 06. Dezember 2021 per Online-Livestream an der 26. NeRess-Konferenz zum Thema „Ressourceneffizienz in Unternehmen: Aktuelle Herausforderungen und Chancen“ teilgenommen. Ursprünglich war die Konferenz als Hybrid-Veranstaltung geplant, wurde dann, vor dem Hintergrund der anhaltenden COVID-19-Pandemie, jedoch kurzfristig als reine Online-Veranstaltung umgesetzt.
In seiner Begrüßung ging Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) auf den besonderen Zeitpunkt dieser 26. Netzwerkkonferenz ein – eine transformatorische Übergangsphase auf dem Weg in eine neue Bundesregierung, in der Klimaschutz, die umfassende Transformation der Industriegesellschaft und damit auch Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft einen besonderen Stellenwert einnehmen werden. Nun gälte es, die sich hieraus ergebenden Potenziale zu heben.
Grußwort des BMU (Dr.-Ing. Christoph Epping)
In seinem Grußwort bedankte sich Herr Dr.-Ing. Christoph Epping, Unterabteilungsleiter Ressourcenschutz, Kreislaufwirtschaft im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) beim VDI ZRE für die Organisation.
Bzgl. des Veranstaltungsthemas verwies Dr. Epping auf die Herausforderungen, die sich aus der anhaltenden COVID-19-Pandemie ergeben, wie bspw. Engpässe in der Versorgung mit Primärrohstoffen und damit einhergehende Lieferkettenprobleme. Ein Lösungsansatz ist neben einer konsequenten Ressourceneffizienz in der Produktion auch eine bessere Vernetzung der Agierenden entlang der Wertschöpfungskette, das konsequente Aufbereiten und Wiederverwenden von Produkten, Maschinen usw. im Rahmen von Remanufacturing und eine konsequente Kreislaufwirtschaft. Auf diese Weise ließen sich die Abhängigkeit von globalen Lieferketten verringern und zugleich Kosten für die Unternehmen senken. Resultat wären aus ökonomischer Sicht eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit und aus ökologischer Sicht ein besserer Umweltschutz.
Als Schlüssel hierfür identifizierte Dr. Epping den Transfer von Wissen, um die Unternehmen auf diesem Weg bestmöglich zu unterstützen. Die Digitalisierung sei hierbei das entscheidende Mittel, um Ressourceneffizienzpotenziale in Unternehmen zu identifizieren und nutzbar zu machen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das Fünf-Punkte-Programm für Künstliche Intelligenz des BMU und das daraus hervorgegangene Green Artificial Intelligence-Hub für den Mittelstand sowie das Projektförderprogramm „Digitalisierung zirkulärer Prozesse“. Dieses Programm diene zur Unterstützung der Industrie im Finden nachhaltiger digitaler Lösungen und eines effizienten Umgangs mit Ressourcen, bspw. durch Einsparung von Material oder durch die Verwendung von Rezyklaten, sowohl in der Produktion als auch im Rahmen von Produktoptimierung. Gefördert werden z. B. der Ausbau plattform-basierter regionaler Wirtschaftskreisläufe, digital-optimierte Supply Chains (hier allen voran im Bereich der Rezyklate) sowie die Einführung von datenbasierten oder zirkulären Geschäftsmodell-Innovationen.
Vorstellung der „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“ (Oliver Tietjen)
Im Anschluss stellte Oliver Tietjen, Referat II B2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), im Rahmen seines Beitrags die zum 1. November 2021 novellierte „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW)“ vor. Zunächst gab er einen kurzen Überblick über die Fördergegenstände der 2019 auf den Weg gebrachten EEW, zog ein erstes positives Zwischenfazit (über 10.000 bewilligte Anträge im Jahr 2020) und erläuterte anschließend die Neuerungen, die im Zuge der Novellierung Teil des BMWi-Förderprogramms geworden sind. So ist die Ressourceneffizienz seit November auch namensgebender Bestandteil der Förderung; die Erstellung von Transformationskonzepten derweil gänzlich neuer Fördergegenstand als Teil der Richtlinie „Zuschuss und Kredit“.
Im ersten Teil seiner Präsentation ging Oliver Tietjen auf die Struktur des EEW-Programms ein, grenzte dabei nochmals die Richtlinie „Zuschuss und Kredit“ (i.d.R. zu beantragen bei BAFA bzw. KfW; Transformationskonzepte bei VDI/VDE IT) vom „Förderwettbewerb“ (betreut von VDI/VDE IT) ab und ging anschließend detailliert auf die aus der Novellierung resultierenden Erweiterungen ein. Zum einen wurde Modul 4 („Technologieoffene Maßnahmen“) der Richtlinie „Zuschuss und Kredit“ um die Punkte „Ressourceneffizienz“ und „außerbetriebliche Abwärme“ erweitert, entsprechende Förderquoten bei der Einsparung von CO2-Emmissionen ergänzt und die Förderquote für KMU nochmals deutlich erhöht. Im Bereich des Förderwettbewerbs greift die Novelle insofern, als es hier einerseits zu keinen Beschränkungen bzgl. der Ressourcen kommt, andererseits die Förderkonditionen budgetär erhöht wurden. Dadurch wird, laut Tietjen, der Förderwettbewerb für KMU noch ein Stück weit interessanter, da hier deutlich höhere Förderungen vergeben werden als im Rahmen der Zuschuss-/Kreditvergabe.
Im zweiten Teil seiner Präsentation ging Oliver Tietjen nochmals auf die Termini „Ressourceneffizienz“ und „Transformationskonzepte“ ein und legte dar, wie diese im Kontext der EEW zu verstehen sind. So umfassen die unter dem Gesichtspunkt „Ressourceneffizienz“ geförderten Projekte einerseits Maßnahmen zur Verbesserung der Materialeffizienz, andererseits Maßnahmen zum Wechsel auf Materialien mit einem gering(er)en CO2-Fußabdruck. Hierbei gelten grundsätzlich die gleichen Förderbedingungen wie bei der Energieeffizienz. Auch hier bedarf es eines konsistenten CO2-Einsparkonzepts für die Antragstellung. In Abgrenzung zum Wettbewerb werden im Rahmen der Richtlinie „Zuschuss und Kredit“ nur bestimmte Materialien mit vordefinierten CO2-Faktoren – basierend auf der Datenbank ProBas des Umweltbundesamts (derzeit ca. 200 Einträge, die sukzessive ergänzt werden) – gefördert.
Anschließend spezifizierte Oliver Tietjen den neuen Fördergegenstand der Transformationskonzepte. Deren Förderziel ist es, Unternehmen bei der Planung und Umsetzung der eigenen Transformation hin zu Klimaneutralität zu unterstützen. Dies kann auf zweierlei Weisen geschehen: Zum einen, indem die Erstellung eines Transformationskonzepts (inkl. CO2-Bilanzierung für Standorte bzw. ganze Unternehmen) finanziell gefördert wird. Zum anderen können bereits laufende EEW-Maßnahmen eine Verlängerung in der Umsetzungszeit erhalten, sofern Unternehmen ein Konzept erstellen, aus dem eine hinreichende Begründung für eine Verlängerung erfolgt.
Im Rahmen einer von Dr. Martin Vogt moderierten Podiumsdiskussion tauschten sich Dr. Epping, Dr. Thomas Gäckle, Unterabteilungsleiter Rohstoffpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft e. V. (BNW), und Eva Weik, Referatsleiterin Kreislaufwirtschaft, Umweltrecht, Rohstoffpolitik des Deutschen Industrie- und Handelskammertags e. V. (DIHK) zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich Ressourceneffizienz und die aktuelle Situation der Unternehmen aus.
Die derzeitigen Herausforderungen ergeben sich aus dem anhaltenden Pandemiegeschehen einerseits und der aktuell eingeschränkten Versorgung von Unternehmen mit Rohstoffen oder Zuliefer-Produkten andererseits. Gerade in Bezug auf letztere stelle die Kreislaufwirtschaft und das ressourceneffiziente Wirtschaften jedoch einen Weg aus der Krise dar.
Herr Dr. Gäckle (BMWi) stellte zwei aktuelle Schwerpunkte des BMWi im Bereich Ressourceneffizienz vor: Das Technologietransferprogramm Leichtbau sowie die neu etablierte Dialogplattform Recyclingrohstoffe.
Durch konsequente Förderung von Forschung und Entwicklung sei hier bereits der steigenden Nachfrage nach mehr Ressourceneffizienz für Unternehmen Rechnung getragen worden; Kreislaufwirtschaft als Innovation und Fortschritt wird von Unternehmen als Chance wahrgenommen, darin waren sich sowohl Dr. Gäckle (BMWi) als auch Eva Weik (DIHK) und Dr. Reuter (BNW) einig.
Augenscheinlich herrsche grundliegender Konsens im Hinblick auf die Notwendigkeit, Ressourceneffizienz und Ressourcenschutz in die politische wie betriebliche Praxis zu überführen, doch müssten auch ein gemeinsames Vorgehen und ein einheitliches „How to“ definiert werden, so Dr. Epping (BMU).
Es läge nach Ausführung von Dr. Reuter (BNW) bspw. in den Händen der Regierung, die Wettbewerbsposition von Kunststoffrezyklaten ggü. virgin plastic zu verbessern, indem die Ressourceneffizienz-unfreundliche Subventionierung von fabrikneuen Kunstoffen gekippt würde. Insgesamt müsse zudem mehr für die Rückführbarkeit von qualitätsgesicherten Abfällen zurück in den Produktstatus unternommen werden und es bedürfe eines deutlichen Bekenntnisses zum European Green Deal und der Circular Economy von Seiten der neuen Bundesregierung.
Mit Blick auf die Prognosen des DIHK, die auf Basis einer im August durchgeführten Umfrage nicht auf eine Besserung der Lieferproblematik bis 2023 hoffen lassen, bedürfe es laut Eva Weik (DIHK) eines klaren Bekenntnisses zum EU-Binnenmarkt, das einhergeht mit EU-weiten Standards und einer erweiterten Herstellerverantwortung, um den langfristigen Umstieg auf Alternativmaterialien voranzutreiben und sich so auf lange Sicht auch unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen.
Langfristige Herausforderungen lägen dabei jedoch auch in den Händen der wirkenden Marktkräfte, die sich aufgrund der COVID-19-Pandemie derzeit neu ordnen würden, führte Dr. Gäckle (BMWi) an. Natürlich sei Energie- und Ressourceneffizienz auch immer an politische Vorgaben gekoppelt, doch müssten Impulse für Perspektiven und Veränderungen auch aus den Unternehmen selbst kommen. Denn bspw. mit Blick auf die Mobilitätswende bis 2030 und die erhöhten Bedarfe seltener Erden sowie die derzeitigen Beschaffungsbedingungen wird deutlich, dass auch hier Alternativen gefunden werden müssen.
Auf die Frage aus dem virtuellen Plenum, ob Quoten derweil ein probates Mittel seien, um Kunststoffrecycling voranzubringen, entgegnete Eva Weik, dass diese grundsätzlich geeignet wären, für Quoten jedoch verbindliche Verfügbarkeiten gewährleistet werden müssten. Daher sehe der DIHK grundsätzlich mehr Potenzial in Förderung als in Ge- und Verboten. Ein in diesem Zusammenhang diskutierter Produktpass müsse daher auch eine Balance zwischen politischen Vorgaben und unternehmerischer Flexibilität schaffen, so Dr. Epping (BMU).
Geordnetes Recycling müsse noch weiter forciert werden, z. B. im Rahmen von regulären und kostenfreien Altgeräteannahmen am POS (auch im Lebensmittelhandel, der Elektrogeräte vertreibt) und damit einhergehende Vorgaben für den Umgang mit zurückgenommenen Waren.
Und im Zuge der Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz müsse auch immer die Digitalisierung mitgedacht werden, da sich bspw. durch digitale Technologien wie dem Digitalen Zwilling schon vor der regulären Produktion enorme Ressourceneinsparpotenziale eröffneten.
Entwicklungen zur Normungsroadmap Circular Economy (Benjamin Hein)
Benjamin Hein, Leiter Geschäftsfeldentwicklung Circular Economy, Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN), führte im Anschluss an die Podiumsdiskussion in den zweiten der drei Themenkomplexe ein. Gegenstand seiner Präsentation war die Normungsroadmap Circular Economy, die als gemeinsames Projekt von DIN, DKE und VDI im Rahmen einer großen Auftaktveranstaltung am 21. Oktober 2021 einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert wurde. Übergeordnetes Ziel der Normungsroadmap ist es, laut Hein, einen Überblick über den Status Quo der Normung im Bereich Circular Economy zu schaffen, An- und Herausforderungen für die Schwerpunktthemen zu beschreiben sowie konkrete Handlungsbedarfe für zukünftige Normen und Standards zu identifizieren und zu formulieren.
So bedarf es verschiedener wirksamer Instrumente und Mechanismen wie bspw. der Circular Economy, um die festgesetzten Klimaziele zu erreichen, und nach Einschätzung der CEID (Circular Economy Initiative Deutschland) wiederum allgemeingültige Standards und Normen. Denn aus einer konsequent umgesetzten Circular Economy resultiert die Potenzierung von möglichen Schnittstellen innerhalb der Wertschöpfungskette, deren langfristige Funktionalität ausschließlich über systematische Standardisierung und Normung organisiert und gewährleistet werden könne. Daher erweist sich eine umfassende Koordination der Normungswerke unter diesem Gesichtspunkt als unumgänglich. An dieser Stelle setzt das Projekt der Normungsroadmap an: Hier sollen mit Beginn des kommenden Jahres Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, die für eine nachhaltig erfolgreiche Circular Economy sukzessive umzusetzen sind.
Im Januar 2022 werden daher die Kick-Offs zur Arbeit an den sieben Themenfeldern „Elektrotechnik & IKT“, „Batterien“, „Verpackungen“, „Kunststoffe“, „Textilien“, „Bauwerke/Kommunen“ und „Digitalisierung, Geschäftsmodelle & Management“ im Rahmen von Arbeitsgruppen starten, idealerweise bestehend aus Expertinnen und Experten aus dem Bereich Normung, aber auch mit „normungsfremden Fachleuten, in Form einer digitalen Kollaborationsplattform (DIN.ONE), mit dem Ziel, die gesammelten Ergebnisse im Dezember 2022 zu veröffentlichen. Abschließende Worte verband Benjamin Hein mit einigen Ausführungen und Bezügen zum Koalitionsvertrag, in dem die Kreislaufwirtschaft dezidiert einbezogen ist, und ging beispielhaft auf die Schaffung eines genormten Recyclinglabels sowie die Vorteile einer solchen Standardisierung ein.
Circular Economy und Kunststoffrecycling: Qualität braucht Normung (Dr. Harald Lehmann)
Wieso genau Standardisierung und Normung für die Circular Economy von so enormer Relevanz ist, führte im Anschluss an den Beitrag zur Normungsroadmap Circular Economy Dr. Harald Lehmann, Vice President Plastic Materials and Processing, TOMRA Sorting GmbH, am Beispiel des Kunststoffrecyclings aus. Gerade dem Bereich der Kunststoffrezyklate attestierte Dr. Lehmann immense Handlungsbedarfe. So steigt grundsätzlich die Nachfrage nach recyceltem Kunststoff, sodass auch der Aspekt der Qualität immer weiter in den Fokus rückt. Doch genau hierin liegt das Problem: Nur 14 % des produzierten Kunststoffs gelangen überhaupt ins Recycling, lediglich 2 % davon werden via closed loops in den Kreislauf zurückgeführt, 8 % können immerhin noch im Rahmen von Downcycling weiterverwendet werden. Dem gegenüber stehen ca. 40 % des jährlich produzierten Kunststoffs, die aufgrund von Verunreinigung, unsachgemäßer Entsorgung etc. für den Recycling-Prozess verloren gehen und auf Deponien landen, sowie 32 %, die als „Verluste“ in die Umwelt gelangen.
Normung und Standardisierung erweisen sich daher als eine der elementaren Stellschrauben, um Leckagen und Verluste zu minimieren und sukzessive zu stoppen. Denn um den Anteil des Kunststoffs im geschlossenen Kreislauf zu erhöhen und ihn langfristig dort zu halten, sind eine gleichbleibende, vertrauensvolle Qualität der Rezyklate und ein einheitliches Qualitätsbewusstsein der Branche – basierend auf Vernetzung und Kommunikation – der Schlüssel. Um eine solche konstant hohe Qualitätsinfrastruktur für anspruchsvolle Anwendungen zu gewährleisten, bedarf es einer konsequenten Normung. Nur auf diese Weise wird es zudem möglich, das anhaltend schlechte Image von Rezyklaten auf lange Sicht zu revidieren.
Ergänzend führte Dr. Lehmann aus, dass sich in der baulichen Realisierung von Sammelsystemen und Sortierungen unter Einbezug modernster Sensortechnologien weitere Potenziale für effizientes Kreislaufwirtschaften im Bereich der Kunststoffe verorten lässt, die es sukzessive zu nutzen gilt.
Digitalisierung als Herausforderung und Chance für die Ressourceneffizienz – ein Praxisbericht (Christian Schiller)
Christian Schiller, Geschäftsführer der Cirplus GmbH, präsentierte aufbauend auf dem vorangegangenen Plädoyer von Dr. Lehmann für mehr Normung und Vernetzung in der Kunststoffrecyclingbranche sein Unternehmen Cirplus. Hierbei handelt es sich um eine Onlineplattform für den Handel von Rezyklaten – digital und grün –, um speziell für den Bereich der Beschaffung im B2B-Bereich die notwendige Transparenz, Konstanz und Kosteneffizienz u. a. im Hinblick auf Qualitäten zu schaffen.
Der Bedarf einer solchen Plattform ließ sich mit Blick auf die avisierte Zielgruppe einwandfrei ableiten, offenbarte jedoch verschiedene Herausforderungen: Ein stark fragmentierter Markt, der kaum vernetzt ist und daher ein limitiertes Vertrauen in und Bewusstsein für Kooperations- und Vertragspartnerinnen und -partner aufweist, das Fehlen von konsistenten Qualitäten gepaart mit schwankenden Quantitäten usw. Ziel von Cirplus sei es daher, laut Christian Schiller, die digitale Infrastruktur eines niedrigschwelligen Plattformmarktplatzes für den Handel mit Kunststoffrezyklaten zu schaffen, langfristig Vertrauen bei den Nutzenden durch Transparenz, Qualitätsstandards und Skalierbarkeit aufzubauen und einheitliche Wettbewerbsbedingungen (Stichwort ‚level playing field‘) zwischen virgin plastic und Rezyklaten zu etablieren, sodass langfristig der Kunststoffmarkt seine Bedarfe (fast) ausschließlich über Rezyklate abzudecken imstande ist.
Der Schlüssel hierfür – Normung und Standardisierung. Als erster Standard, mit initiiert von Cirplus, liest sich in diesem Zusammenhang die DIN SPEC 91446 „Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten durch Datenqualitätslevel für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel“, eine nach Informations-Tiefe abgestufte und einheitliche Beschreibung von Rezyklaten aller Polymerarten und deren Qualität. Außerdem eröffnete Christian Schiller, dass die im Rahmen der DIN SPEC 91446 definierten Standards sich bereits in die Cirplus-Plattform integriert finden (als „vereinfachte Führung durch den Standard“) und darüber hinaus perspektivisch in einen europäischen Standard überführt werden.
Überblick: Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (Annette Schmidt-Räntsch)
Den dritten Themenkomplex des Konferenztages leitete Annette Schmidt-Räntsch, Referat G I 4, Umwelt und Wirtschaft, nachhaltige Unternehmensführung, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), mit einem Überblicksbeitrag zum neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ein. Das Gesetz wurde im Juli 2021 verabschiedet, wird im Januar 2023 in Kraft treten (für KMU ab Januar 2024) und fußt auf den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie dem daraus hervorgegangenen Nationalen Aktionsplan (NAP). Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz offenbart somit den engen Zusammenhang zwischen Umweltschädigung bzw. -zerstörung und Menschenrechtsverletzungen.
Dem Gesetz vorangegangen war eine zweijährige Monitoring-Phase zwischen 2018 und 2020, in der u. a. evaluiert wurde, dass von Seiten der Unternehmen die Kernelemente der NAP (vor allem die Risikoanalyse der Lieferketten) in der Vergangenheit nur in ungenügendem Umfang erfolgte. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll nun einen rechtlichen Rahmen schaffen, um den Schutz der Umwelt, der Menschen- und der Kinderrechte zu gewährleisten und wird zukünftig wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte entlang globaler Lieferketten regeln. Umweltpolitische Themen werden dabei vor allem über gesundheitspolitische Aspekte abgedeckt.
So werden Unternehmen durch dieses Gesetz dazu verpflichtet, fortlaufend entlang ihrer Lieferkette(n) umfangreiche Sorgfaltspflichten zu beachten (§3 LkSG). Diese umfassen u. a. die regelmäßige Durchführung von Risikoanalysen, die Definition von Präventionsmaßnahmen und eine entsprechende Berichterstattung zur Umsetzung.
Unternehmen müssen mit jährlichen Kontrollen sowie teils erheblichen Bußgeldern bei Nichterfüllung der o.g. Punkte rechnen. Ein vergleichbar gelagertes Gesetz auf EU-Ebene ist derzeit noch in Abstimmung. Die EU-Richtlinie wird zum Herbst des kommenden Jahres erwartet.
Unterstützung in der strategischen Ausrichtung: Vorstellung Sorgfalts- Kompass für KMU (Daniel Weiß)
Daniel Weiß, Head of Programme Green Economy, adelphi, stellte im Anschluss daran den Sorgfalts-Kompass für KMU vor – ein Onlinetool, das Unternehmen dabei unterstützt, ihr Lieferkettenmanagement zu gestalten resp. zu optimieren. Entwickelt wurde der Sorgfalts-Kompass in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE).
Bevor es jedoch zur eigentlichen Vorstellung des Kompasses und seiner Inhalte ging, nahm Daniel Weiß zunächst noch einmal Bezug auf die verschiedenen Projekte, die im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bzw. zu dessen Vorbereitung durchgeführt wurden (u.a. NAP Monitoring). Anschließend definierte Daniel Weiß kurz das Verständnis von „Lieferketten“ im Kontext des LkSG, differenzierte zwischen mittelbaren Zulieferfirmen (keine direkten Vertragsbeziehungen) und unmittelbaren Zulieferfirmen (direkte Vertragsbeziehungen) sowie den damit einhergehenden unterschiedlichen Anforderungen im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes an die Unternehmen (§6 sowie §9 LkSG). Mit Blick auf die Gruppe der KMU wird daher deutlich, dass es zwar zu keiner eigenen Betroffenheit der Unternehmen bzgl. der unter §3 LkSG aufgeführten Pflichten kommt, sich jedoch mit Blick auf den Aspekt der unmittelbaren Zulieferfirmen durchaus Obligationen ergeben (Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie Beschwerdemanagement), die zu zusätzlichen betrieblichen Implikationen führen (Zunahme vertragliche Verpflichtungen, Einbezug sozialer und ökologischer Kriterien in Auswahl-/Ausschreibungsprozesse, vermehrte Nutzung von Abfrage-Systemen, Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Supply Chains usw.).
Um den Einstieg in das Konzept der menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht so unkompliziert wie möglich zu gestalten, wurde der Sorgfalts-Kompass für KMU entwickelt. Er bietet Informationen zum Einstieg in das Konzept an sich, eröffnet dabei unterschiedliche Perspektiven z. B. hinsichtlich KMU als Zulieferfirma oder als Agierende, bietet Unterstützung entlang der zentralen Prozessschritte, Grundsatzerklärung, Risikoanalyse etc. und Praxishilfen für die konkrete Umsetzung. So bietet der Sorgfalts-Kompass ergänzend einen ausführlichen Downloadbereich mit weiterführenden Informationen, diversen Vorlagen, Leitfäden und kleineren Tools, um den Schritt hin zu mehr Schutz der Umwelt, der Menschen- und der Kinderrechte innerhalb der eigenen Lieferketten so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten.
Umgang mit Compliance-Pflichten in Unternehmen im Kontext von nachhaltigeren Lieferketten (Dr. Alexander Nick)
Abschließend gab Dr. Alexander Nick, Mitglied des BMW Group Sustainability and Mobility Leadership Teams, einen kurzen praktischen Einblick in den strategischen Ansatz zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten innerhalb der BMW Group.
Im Rahmen seiner Ausführungen berichtete Dr. Nick, dass die BMW Group seit September dieses Jahres Teil der Business Ambition 1,5 °C ist und sich damit einhergehend die Ziele gesetzt hat, die Lebenszyklusemissionen bis 2030 um min. 40 % zu reduzieren und bis 2050 ein Geschäftsmodell aufzubauen, das auf Klimaneutralität basiert. Da durch die Elektrifizierung des automobilen Individualverkehrs, einem der Haupthebel der Mobilitätswende, sich die CO2-Emissionen in die Vorketten verlagern, wird daher ein besonderer Fokus auf das Netzwerk der Lieferunternehmen gelegt, mit dem die BMW Group zusammenarbeitet. Hier wird zum einen die Energieerzeugung der zuliefernden Unternehmen betrachtet, zum anderen stehen die Gesichtspunkte Kreislaufwirtschaft und Sekundärrohstoffmaterialien im Mittepunkt der Auseinandersetzung, da sich hierin perspektivisch Vorteile sowohl hinsichtlich der Reduktion von THG-Emissionen als auch der Wahrung von Umwelt- und Sozialstandards identifizieren lassen.
Um für ein solches Netzwerk sukzessive eine verlässliche Rückverfolgbarkeit und Transparenz herzustellen, wurden sowohl für 1-Tier-Lieferant*innen als auch für n-Tier-Lieferant*innen (hier allen voran Risiko-Lieferunternehmen) interne Ziele und ein einheitliches 5-Schritte-Vorgehen im Beschaffungsprozess (basierend auf dem Zweiklang der Risikoanalyse und Prävention) definiert, das sich eng an den Kernelementen des NAP orientiert, um präventiv zu agieren oder über kurzfristige Adhoc-Prozesse korrektive Maßnahmen einzuleiten (Audit-Programme). Durch die Integration unternehmerischer Sorgfaltspflichten in die Geschäftsabläufe der BMW Group (inklusive des Managements kritischer Rohstoffe) und ein umfangreiches Reporting-System sei es möglich, so Dr. Nick, die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards sowohl bei 1-Tier- als auch bei n-Tier-Zuliefernden zu gewährleisten und langfristig Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit zu verbinden.