Ort: Präsenzveranstaltung (hybrid)
Datum: 20.06.2022
Einführung und Begrüßung
218 Teilnehmende aus Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft haben am 20. Juni 2022 sowohl in Präsenz (69 Personen) als auch per Online- Livestream (149 Personen) an der 27. NeRess-Konferenz zum Thema „Die Transformation zu einer klimaneutralen zirkulären Wirtschaft: Innovationen, Potenziale und Herausforderungen“ teilgenommen.
In seiner Begrüßung wies Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) auf den besonderen Rahmen dieser 27. Netzwerkkonferenz hin: Nach mehr als zwei Jahren wieder in Präsenz zu tagen, sei ein schönes Erlebnis.
Als Anstoß für die Wahl des Konferenzthemas benannte Dr. Vogt den im gesellschaftlichen und politischen Bewusstsein sukzessiv steigenden Stellenwert von Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung. Schließlich liege im schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen eine der Antworten für die Bewältigung der drei großen Krisen unserer Zeit: Die Klimakrise, die Energiekrise und die Rohstoffkrise.
Nicht zuletzt auch mit Blick auf diesen Dreiklang gab Dr. Vogt einen kurzen Ausblick auf die Tagungsinhalte, deren zentraler Aspekt – die Transformation hin zu einer klimaneutralen und zirkulären Wirtschaft – anhand der drei Arbeitsfelder „Nexus Ressourceneffizienz und Klimaschutz“, „Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen“ sowie „Digitale Innovationen zur Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft“ besprochen werden solle, um mit einem abschließenden Panel zum Thema „Förderung, Beratung und Transfer von Innovationen“ zu enden.
Grußwort der Staatssekretärin Dr. Christiane Rohleder, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
In Ihrem Grußwort bedankte sich Dr. Christiane Rohleder, Staatsekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und zuständig für die neu gegründete Abteilung „Transformation“, zunächst beim VDI ZRE für die Einladung zur 27. NeRess-Konferenz und verwies im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsthema sogleich auf die Bedeutung des Begriffs „Transformation“, indem sie die Relevanz des gegenseitigen (Ideen-)Austauschs sowie der Kommunikation und Interaktion miteinander in diesem Zusammenhang betonte.
So seien, gerade mit Blick auf die Bewältigung der gegenwärtigen Krisen, die Dr. Rohleder noch um die Biodiversitäts-, die Verschmutzungskrise sowie den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ergänzte, Aspekte wie das gemeinsame Anstrengen und die gegenseitige Solidarität essenziell – auch, um die aktuell so offen zutage tretenden Rohstoff- und Lieferkettenabhängigkeiten ab- und eine robustere wie resilientere Wertschöpfung aufzubauen. Einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft komme hierbei eine Schlüsselrolle zu.
So verringere ressourceneffizientes und zirkuläres Wirtschaften Rohstoffabhängigkeiten und könne dabei unterstützen, über regionale Kreisläufe den Zugang zu Sekundärrohstoffen sicherzustellen, um Versorgungssicherheit zu erreichen. Zudem trüge angesichts der sich weiter zuspitzenden Klimakrise und dem voranschreitenden Artensterben eine funktionierende Kreislaufführung von Rohstoffen auch maßgeblich zum Klimaschutz und zum Schutz der Biodiversität bei. Wissenschaftliche Modellierungsergebnisse zeigen dahingehend sehr vielversprechende Potenziale auf – auch für Deutschland.
Daher gelte es nun, die Potenziale, die sich heute und zukünftig ergeben, auch zu nutzen. Es bedürfe der politischen wie wissenschaftlichen Zu(sammen)arbeit, um zu klären, wie Treibhausgasreduktionen mithilfe von Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz systematisch erfasst und berücksichtigt werden können. An einem solchen Rahmen werde mit der Entwicklung einer nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie gearbeitet, die über die Vermeidung und Verwertung von Abfällen hinaus geht und bereits bei der Produktgestaltung ansetzt. Entscheidend werde hierfür die Wettbewerbsfähigkeit von Sekundärrohstoffen sein. Denn nur, wenn diese auch kostengünstig zur Verfügung stehen, könne aus der guten Idee realer Alltag in den Betrieben werden.
Effizienzbestrebungen allein genügen nicht; es brauche auch eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs – vor allem in Ländern des globalen Nordens. Das mache die Zunahme westlicher Konsummuster in einer globalen Mittelschicht deutlich. Eine Transformation hin zu ressourceneffizienten Wirtschaftsweisen werde somit notwendig, die global das Wohlbefinden wahre resp. steigere und zugleich Rebound-Effekte in den Blick nehme.
Entwicklung einer standardisierten Vorgehensweise zur Ermittlung der eingesparten Treibhausgasemissionen aus Maßnahmen zur Materialeffizienz – ESTEM (Prof. Dr. Mario Schmidt)
Im Auftaktvortrag des ersten Themenfelds ermöglichte Prof. Dr. Mario Schmidt vom INEC Institut für Industrial Ecology der Hochschule Pforzheim im Rahmen seines Beitrags einen ersten Vorab-Einblick in die Ergebnisse des Projekts zur Entwicklung einer standardisierten Vorgehensweise zur Ermittlung der eingesparten Treibhausgasemissionen aus Maßnahmen zur Materialeffizienz – kurz ESTEM.
Zunächst gab Prof. Dr. Schmidt einen kurzen Überblick über die gemeinsam von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz umgesetzte Studie, erläuterte Ausgangssituation und Motivation zum Projekt und fasste die Ziele – u.a. Schaffung einheitlicher Kriterien als Bewertungsgrundlage zur Einschätzung von Treibhausgasemissionen von Unternehmen für eine bessere Vergleichbarkeit – zusammen.
Als besondere Herausforderung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) identifizierte Prof. Dr. Schmidt dabei die unproblematische Beschaffung belastbarer Daten für die Ermittlung von Emissionsfaktoren. So gäbe es zwar zahlreiche umfangreiche Datenbanken – diese seien jedoch entweder mit enormen Kostenaufwänden verbunden, führen nicht die für die Unternehmen relevanten Datensätze oder seien unvollständig resp. aktualisierungsbedürftig. Hieraus ergebe sich besonders für KMU ein Problem, da hier in der Regel die Expertise für Nachhaltigkeit oftmals noch fehle.
Als Lösung wurde im Rahmen des ESTEM-Projekts daher ein Excel-Tool erarbeitet, mithilfe dessen KMU auf Basis einer ersten Einschätzung die Klimarelevanz von auf Unternehmensebene ergriffenen Materialeffizienzmaßnahmen ableiten können. Die Veröffentlichung ist für Spätsommer 2022 vorgesehen; die im Tool hinterlegten Daten sollen dann regelmäßig ergänzt und aktualisiert werden.
Mit Blick auf das Konferenzthema ergänzte Prof. Dr. Schmidt im Rahmen der Fragerunde, dass Zirkularität von Materialien und die Schließung von Stoffkreisläufen im Tool insofern abgebildet würden, dass das Thema „Kreislauf“ auf der Inputseite des Tools in Bezug auf Materialeinsatz mitgedacht wird.
Nexus von Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz – Kernergebnisse aus dem RESCUE-Projekt des UBA (Jens Günther)
Im Anschluss stellte Jens Günther, Mitarbeiter des Fachgebiets I 1.1 Grundsatzfragen, Nachhaltigkeitsstrategien und -szenarien, Ressourcenschonung des Umweltbundesamts (UBA), in seinem Beitrag die Ergebnisse des zwischen 2016 und 2019/2020 durchgeführten RESCUE-Projekts vor. Im Rahmen des Projekts hatte das UBA die Zusammenhänge zwischen Klimaschutz und Ressourcennutzung untersucht und anhand von sechs Szenarien mögliche Lösungs- und Handlungsspielräume für Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität Deutschlands (bis 2050) erarbeitet.
Zunächst rekapitulierte Herr Günther die Herausforderungen und ging auf die Zusammenhänge zwischen der kontinuierlich ansteigenden Rohstoffentnahme und den daraus resultierenden Auswirkungen auf das Klima ein, um anschließend die Kernfragen des RESCUE-Projekts abzuleiten. Als essenziellen Schritt identifizierte das Projekt zudem eine systemweite Transformation, im Zuge derer ebenso verschiedene Wenden (Energie-, Agrar-, Wärme-, Verkehrs-, Industrie- und Rohstoffwende) notwendig seien, wie ein globaler Fortschritt in Bezug auf Klimaschutz. Auf Basis dieser Prämissen wurden sechs unterschiedlich stark ambitionierte Szenarien er- und ausgearbeitet, um Lösungen zu entwickeln, wie Rohstoffinanspruchnahme und Treibhausgasemissionen in Deutschland nachhaltig gesenkt werden können.
Die Auswertung der RESCUE-Studie zeigte dabei u.a., dass Treibhausgasneutralität und die Reduktion der Primärrohstoffinanspruchnahme in Deutschland ausschließlich durch ambitioniertes Handeln umsetzbar sind. Gerade im Hinblick auf die Primärrohstoffentnahme seien so Einsparungen zwischen 56 und 70 % möglich – je nach gewähltem Szenario. Notwendig hierfür seien in jedem Fall die konsequente Schließung von Materialkreisläufen, technologische Innovationen, Substitutionsforschung und Roadmaps, globale Kooperationen in den Bereichen Klima- und Ressourcenpolitik sowie ein grundlegend verändertes Konsumverhalten – vor allem im globalen Norden. Hieraus resultiere, so Jens Günther, perspektivisch auch eine Verminderung von Exportüberschüssen, während gleichzeitig der Selbstversorgungsgrad zunehme.
Ressourceneffizienz und Klimaschutz in Unternehmen (Henri Cuin & Jonas Briese)
Betriebe bei der Transformation hin zu einer ressourceneffizienten Circular Economy zu unterstützen ist das Arbeitsfeld der eolos GmbH, deren Geschäftsführer, Henri Cuin, gemeinsam mit Umweltingenieur und Business Analyst Jonas Briese im Rahmen einer Online-Zuschaltung über Klimaschutz und Materialeffizienz in Unternehmen berichteten.
Zunächst begann Henri Cuin mit einem Überblick über die Rahmenbedingungen, in denen sich Unternehmen bewegen, um dann Einblicke in die Formate und Prozesse zu geben, die es braucht, um Unternehmen dahingehend zu befähigen, mit den komplexen Anforderungen umzugehen (der Vortrag musste aufgrund technischer Probleme bei der Übertragung vorzeitig beendet werden).
Vorstellung „Dialogplattform Recyclingrohstoffe“ (Paul Mählitz)
Paul Mählitz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Recyclingrohstoffe der Deutschen Rohstoffagentur DERA, führte in den zweiten der drei Themenkomplexe ein.
Gegenstand seiner Präsentation war die Vorstellung der Dialogplattform Recyclingrohstoffe, die als niedrigschwelliges Angebot im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) konzipiert ist. Die Dialogplattform soll im Rahmen der Rohstoffstrategie der Bundesregierung zur Erhöhung des Anteils von Sekundärrohstoffen an der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie beitragen und ist auf zwei Jahre angelegt. Übergeordnetes Ziel der Dialogplattform Recyclingrohstoffe sei es, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsführerschaft zu stärken und die im Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Treibhausgasminderungsziele zu forcieren.
Hierfür wurde innerhalb der DERA ein neuer Arbeitsbereich „Recyclingrohstoffe“ geschaffen. Neben der Koordination und wissenschaftlichen Begleitung der Dialogplattform wird hier u.a. der „Recycling-Atlas Metalle in Deutschland“ koordiniert sowie der Aufbau eines breiten Netzwerks vorangetrieben. Außerdem wurde das DERA-Rohstoffmonitoring um das Thema „Recyclingrohstoffe“ erweitert und Recyclingpotenziale im Rahmen der DERA-Zukunftstechnologie-Studie evaluiert.
Zum aktuellen Zeitpunkt, so Paul Mählitz, arbeiten ca. 350 Expertinnen und Experten aus Industrie, Verbänden, Wissenschaft, Politik, und Gesellschaft im Rahmen zweier thematischer Arbeitskreise – „Metalle“ und Industrieminerale“ – sowie weiterer Unterarbeitskreise konkrete Handlungsoptionen für eine nachhaltige Versorgung der deutschen Industrie mit Sekundärrohstoffen aus und bauen hierfür auch auf bestehendem Wissen anderer Initiativen und Expertengremien auf.
Gerade im Hinblick auf bspw. regulatorische Probleme kann und soll die Dialogplattform Recyclingrohstoffe zukünftig Antworten und Impulse bieten, um Barrieren und Hemmnisse abzubauen, zu sensibilisieren und Lösungswege aufzuzeigen. Die Übergabe des Abschussberichts an das BMWK, der auch die zentralen Handlungsempfehlungen zusammenfasst, ist für die zweite Jahreshälfte 2023 geplant.
Ecodesign und geschlossene Materialkreisläufe am Beispiel von Automotive-Bauteilen (Frank Schockemöhle)
Wie genau sich die betriebliche Praxis im Hinblick auf Ecodesign und Materialkreislauf-Konzepte in der Kunststoffverarbeitung umsetzen lässt, darüber informierte Frank Schockemöhle, Entwicklungsleiter bei der Pöppelmann Kunststoff-Technik GmbH & Co. KG. Das Unternehmen ist u.a. Zulieferer für die Automobilindustrie, aber auch in anderen Anwendungsfeldern aktiv.
Nach einer kurzen Unternehmensvorstellung, im Zuge derer Frank Schockemöhle die verschiedenen Unternehmensbereiche und auch die Motivation für die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Kreislaufwirtschaft und Rezyklate herausarbeitete, wurden anschließend anhand von Praxisbeispielen die Reduzierung und das Recycling im Unternehmen sowie die Etablierung von Materialkreisläufen in den Fokus der Ausführungen gerückt.
Als Wege hin zu einer schonenderen Nutzung von Rohstoffen führte Frank Schockemöhle die Prinzipien des Ecodesigns – Reduce, Reuse und Recycle – an. Außerdem verwies er auf verschiedene Technologien, wie bspw. das Thermoplastische Schaumspritzguss-Verfahren, durch deren Anwendung der Einsatz von Rohstoffen maßgeblich reduziert werden konnte und das bereits bei verschiedenen Serienbauteilen im Automobilbereich erfolgreich Anwendung findet.
Mit Blick auf den Einsatz von Rezyklaten ergeben sich derweil weitere Herausforderungen. Denn eine geschlossene Kreislaufwirtschaft kann nur durch den konsequenten Einbezug von Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) erreicht werden. Die aktuelle Rezyklateinsatzquote im Automotive-Bereich liegt bei ca. 5,5 %, angestrebt werde im Rahmen der deutschen Kreislaufwirtschaftsstrategie eine Erhöhung der Quote auf 15 %. Unternehmensintern werde diese Quote bereits seit 2019 erreicht, bis 2025 sei eine Rezyklatquote von 35 % bei Automobilteilen das Ziel.
Hierfür habe das Unternehmen eine eigene Rückhol-Infrastruktur erarbeitet. Zudem würde maßgeblich Aufklärungsarbeit geleistet, um auf Seiten der Kundinnen und Kunden Vorbehalte ggü. Rezyklaten und deren Verwendung nachhaltig abzubauen. Bauteile, die zu 100 % aus Rezyklaten bestünden, seien allerdings aus sicherheitsrelevanten und regulatorischen Aspekten aktuell noch nicht einsetzbar.
Ressourceneffizientes Design: Potenziale von KI in frühen Phasen der Produktentwicklung (Prof. Dr. Jan Schmitt)
Den dritten Themenkomplex des Konferenztages leitete Prof. Dr. Jan Schmitt, Leiter des Instituts Digital Engineering (IDEE) der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, mit einem Beitrag zu den Potenzialen von künstlicher Intelligenz in frühen Phasen der Produktentwicklung ein. Im Zuge des Vortrags gab Prof. Dr. Schmitt zudem einen kurzen Einblick in die Entwicklung ressourceneffizienter Designs.
So bieten der Rückgriff auf maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz Potenziale und Anknüpfpunkte, um durch gezielte Maßnahmen zur Energie- und Ressourcenschonung sowie zum optimierten Life-Cycle-Management beizutragen (hierzu zählen bspw. Maßnahmen zur Erhöhung der Lebensdauer von Produkten und eine verbesserte Reparierbarkeit). Im Kontext der Produktentwicklungsprozesse sei es daher das Ziel, durch den Einsatz von Simulationstechniken, Methoden wie Design of Experiments (DoE) und KI – insbesondere in den Prozessschritten des Musterbaus und der Prototypenfertigung – die jeweilige Prozessdauer zu verkürzen und sowohl die aufgewendete Entwicklungszeit als auch perspektivisch die eingesetzten Ressourcen und Energie für den physischen Muster- und Prototypenbau einzusparen.
Es gelte hierbei der Grundsatz, Erfahrungswerte nicht zu ersetzen, sondern diese durch Machine Learning und KI zu optimieren. Notwendig seien daher initiale Experimente, um validierbare Modelle zu generieren, aus denen die KI wiederum lernen und sukzessive Prognosen herleiten kann. So können mithilfe von Systematisierung und Strukturierung zudem neue Erkenntnisse erzielt werden, die wiederum zu mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit im Entwicklungsprozess, aber auch im Produkt selbst beitragen.
Nachhaltigkeit durch KI: Potenziale und Handlungsleitfaden für produzierende Unternehmen (Lara Waltersmann)
Lara Waltersmann, Gruppenleiterin Management nachhaltiger Wertschöpfungssysteme am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, stellte im Anschluss die neueste Studie des KI-Fortschrittzentrums „Nachhaltigkeit durch KI – Potenziale und Handlungsleitfaden für produzierende Unternehmen“ vor.
Die Motivation zur Erstellung der Studie lag, so Lara Waltersmann, einerseits in der Notwendigkeit, einen Paradigmenwechsel herbeizuführen, im Zuge dessen Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz weiter in den Fokus von fertigenden Unternehmen gerückt werden. Schließlich biete künstliche Intelligenz gerade im Kontext der voranschreitenden Digitalisierung das grundsätzliche Potenzial, die unternehmerische Nachhaltigkeit zu verbessern.
Als Herausforderung identifizierte Lara Waltersmann unterdessen den Umstand, dass „KI und Nachhaltigkeit“ ein noch sehr junges Forschungsfeld sei und Unternehmen daher derzeit (noch) nicht wüssten, wo und wie sie systematisch die Potenziale von KI für unternehmenseigene Nachhaltigkeitsverbesserungen heben könnten. Zum anderen seien Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit bisher selten die treibende Kraft für den Einsatz von KI in den Unternehmen.
Ziel der Studie sei es daher, die Potenziale von KI für die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit zu strukturieren und daraus einen Handlungsleitfaden für produzierende Unternehmen abzuleiten. Hierfür wurden u.a. Anwendungsfelder geclustert, Interviews durchgeführt und auf Basis dessen Hemmnisse und Enabler sowie notwendige Schritte für den Einsatz von KI für (mehr) Nachhaltigkeit identifiziert, um Unternehmen den Einstieg in die Nachhaltigkeit durch KI zu ermöglichen.
Im abschließenden Panel, moderiert von Dr. Martin Vogt, gingen Lydia Neuhuber, Director Sustainability Consulting Lead der Deloitte Consulting GmbH, Almut Rademacher, Geschäftsführerin des Unternehmensverbundes OWL Maschinenbau e. V., Katja Rottmann, Referentin im Referat 24 Wasserstoff, Ressourceneffizienz, Bioökonomie des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, und Juana Schons, Projektleiterin Ressourceneffizienz in Unternehmen bei der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA), der Frage nach, wie Unternehmen durch Förderung und Beratung bei der Transformation hin zu mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit unterstützt und Innovationen in die Unternehmen transferiert werden können.
Zu Beginn des Podiums fasste Lydia Neuhuber (Deloitte Consulting GmbH) zunächst die wichtigsten Ergebnisse der Deloitte-Studie „Nachhaltiges Wachstum durch zirkuläres Wirtschaften“ zusammen. Ausgangspunkt der Studie war die Frage, wie zirkuläres Wirtschaften in der Praxis implementiert werden könne und welche Potenziale die Circular Economy in den unterschiedlichen Bereichen bietet. Im Zuge der Auswertung wurde dabei u.a. augenscheinlich, dass durch zirkuläres Wirtschaften bis zum Jahr 2030 ca. 177.000 Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt geschaffen werden könnten und ein wirtschaftlicher Gewinn in Höhe von 12 Mrd. EUR jährlich zu erzielen möglich würde. Es wurde außerdem deutlich, dass mit der Realisierung einer zirkulären Wirtschaft auch Veränderungen im Bereich der Geschäftsmodelle einhergingen. Besonders treibe Unternehmen in diesem Zusammenhang die Sorge um, Rohstoffe nicht mehr in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu haben.
Daher seien Geschäftsmodelle wie Machine Leasing, Pay per Use usw., die die eigenen Produkte im Besitz der Unternehmen belassen, ein wichtiger Ansatz, so Lydia Neuhuber (Deloitte) und Almut Rademacher (OWL Maschinenbau e. V.) einstimmig. Die Potenziale hinter diesen Konzepten seien enorm und bei weitem noch nicht ausgeschöpft, da das Know-how hierfür derzeit noch fehle.
Gerade in diesem Zusammenhang käme insbesondere auch der lokalen und regionalen Vernetzung eine wachsende Bedeutung zu, führte Almut Rademacher (OWL Maschinenbau e. V.) weiter aus – auch und gerade im Hinblick auf die aktuelle Situation von Unternehmen vor dem Hintergrund der aktuellen Krise(n). Der Verein versteht sich als Unternehmensnetzwerk in der Region Ost-Westfalen/Lippe, mit dem Anspruch, Erfahrungen und Erfolgsgeschichten, Kontakte und Kompetenzen breit nutzbar zu machen sowie einen geschützten Rahmen für den Austausch zwischen Unternehmen der Region zu schaffen. In diesem Kontext sei auch das Projekt CirQuality OWL (in Kooperation mit dem VDI OWL und der Hochschule Bielefeld) einzuordnen. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Innovationsnetzwerken verschiedener Branchen, um interdisziplinär zusammenzuarbeiten und das Thema Circular Economy in die Region zu tragen.
Ergänzend müsste es zudem die Möglichkeit geben, von Unternehmensseite auch auf externe Expertise und Kompetenz in Sachen Ressourceneffizienz von Seiten geschulter Beratender zurückgreifen zu können. In diesem Zusammenhang sei es daher, nach Auffassung von Juana Schons (ThEGA), sinnvoll, auch unter den (Energie-)Beratenden sukzessive eine Sensibilisierung für Themen der Ressourceneffizienz voranzutreiben und, wo möglich, weiter zu qualifizieren – eine Option, die auf großes Interesse unter den Beratenden stößt, jedoch mit einigen Herausforderungen verbunden ist. Denn Ressourceneffizienz als Themenfeld sei „nicht so leicht“ vermittelbar wie die Grundlagen der Energieeffizienz. Insbesondere das generelle Mindset der Beratenden sei hierbei entscheidend – je agiler und ganzheitlicher gedacht wird, desto besser. Optimal wäre in diesem Zusammenhang außerdem eine Festlegung bundesweit geltender Standards und Qualitätskriterien, um eine übergreifende Beratung einfacher zu gestalten und umzusetzen.
Auf Landesebene existieren unterdessen zum Teil schon entsprechende Strukturen und Beratenden-Datenbanken, so Dr. Martin Vogt in seinen Ausführungen. Da sich diese in der Vergangenheit jedoch schwerpunktmäßig dem Themenfeld der Energieeffizienz widmeten, galt es zuletzt, laut Katja Rottmann (UM BW), das Thema Ressourceneffizienz in die dazugehörigen Programme zu integrieren. Ein Beispiel hierfür sei das baden-württembergische Programm KEFF, das im letzten Jahr inhaltlich und konzeptionell zu KEFF+ weiterentwickelt wurde und von der Umwelttechnik BW (UTBW) zentral koordiniert wird. Neben der Notwendigkeit der Information, Aufklärung und Vernetzung von Unternehmen durch Kompetenzstellen und Beratende identifizierte Katja Rottmann (UM BW) auch das Erfordernis, Prozesse überhaupt anzustoßen, um in weiterer Konsequenz das Lernen in den Unternehmen selbst zu ermöglichen, als zentrale Herausforderung solcher Programme. Hier setze auch die UT BW mit ihrer Arbeit an, indem sie „Start- und Nachhilfe“ für noch unerfahrene Unternehmen in Sachen Ressourceneffizienz gibt, aber auch mit den bereits erfahrenen regional Agierenden zusammenarbeitet, um diese sukzessive auch zur Ressourceneffizienz-Beratung zu befähigen.
Insgesamt seien Dynamik und Enablement (dt. ‚Befähigung‘) von Unternehmen sowie die Verlinkung von Verständnis und Awareness (dt. ‚Bewusstsein‘) für die Relevanz und die Zusammenhänge von Ressourceneffizienz, Zirkularität und CO2 – auch in den Führungsetagen – Schlüsselbegriffe auf dem Weg in eine klimaneutrale zirkuläre Wirtschaft, darin stimmten Lydia Neuhuber (Deloitte) und ihre Mitdiskutantinnen überein. Denn ein regulatorischer Druck sei bereits jetzt in vielen Branchen zu spüren.
Die aktuelle Lage biete letztlich auch große Chancen für Unternehmen, auch im Bereich der Lösungsfindung und Innovation die Transformationsprozesse aktiv voranzutreiben, so Katja Rottmann (UM BW). Dies müsse jedoch mit Wertschätzung einhergehen (Almut Rademacher, OWL Maschinenbau e. V.). Daher ergebe sich jetzt und auch im Hinblick auf den Umgang mit zukünftigen Krisen die Möglichkeit, die eigene unternehmerische Lage zu evaluieren, um langfristig resilienter und unabhängiger zu werden (Juana Schons, ThEGA).
Schließlich sei „Transformation“ Lösungsstrategie und Perspektive zugleich.