In Kooperation mit dem Klimaschutz-Unternehmen e. V. veranstaltete das Netzwerk Ressourceneffizienz am 17. November 2021 eine Online-Veranstaltung aus der Reihe „Ressourceneffizienz vor Ort“.
„Klimaschutz durch Ressourceneffizienz“ stand im Mittelpunkt der Veranstaltung. Die Unternehmen der Vorreiter-Initiative Klimaschutz-Unternehmen e. V. gehen bei dem Thema voran und haben sich ambitionierte Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Sie entwickeln individuelle Lösungen für die betriebliche Energieeffizienz bei Produkten, Dienstleistungen und Produktionsprozessen, die messbar und als Best-Practice-Modelle auch für andere Unternehmen umsetzbar sind.
Einige dieser Best-Practice-Beispiele wurden bei der Online-Veranstaltung detailliert vorgestellt. Dabei ging es quer durch verschiedene Branchen: von der Glasbearbeitung zur Eis-Manufaktur und von der Rohstoffherstellung für die Chemie-, Kosmetik- und Nahrungsmittelbranche bis hin zur Drucklufterzeugung und Pneumatik.
Begrüßung und Moderation
Lising Kessler, VDI Zentrum Ressourceneffizienz, Berlin
Nina Goßlau, Klimaschutz-Unternehmen e. V., Potsdam
Best-Practice: Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH
Günther Irlbacher, Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH, Schönsee
Best-Practice: Florida-Eis Manufaktur GmbH
Olaf Höhn / Henrike Schulz, Florida-Eis Manufaktur GmbH, Berlin
Best-Practice: Worlée-Chemie GmbH
Jan Eschke, Worlée-Chemie GmbH, Hamburg
Best-Practice: Mader GmbH & Co. KG
Julia Sulzberger, Mader GmbH & Co. KG, Leinfelden-Echterdingen
Diskussionsrunde mit dem Publikum
Verabschiedung
Seit 2009 zeichnen das Bundesumweltministerium (BMU), das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Unternehmen für besonderes Engagement bei ambitionierten Klimaschutzzielen sowie bei der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien aus. Derzeit hat der Klimaschutz-Unternehmen e. V. 46 Mitglieder. Der Verband stellt folgende Fragen ins Zentrum:
„Das sind Fragen, die uns umtreiben und an denen unsere Gesellschaft insgesamt nicht vorbeikommt. Klimaschutz und Energieeffizienz sind die Lösungen auf diese Fragen – aber wir müssen heute mit aller Kraft beginnen, etwas zu verändern!“, heißt es auf der Website des Verbands.
(Quelle: https://www.klimaschutz-unternehmen.de/ueber-uns/unser-verband/)
Günther Irlbacher von der Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH in Schönsee zeigte in seinem Best-Practice-Vortrag, wie das Unternehmen Energieeffizienz ganz konkret angeht, nämlich mit dezentraler Stromerzeugung unter Berücksichtigung der thermischen Hocheffizienz im Abgasstrom.
Das Familienunternehmen Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH besteht seit 1935 und ist mit über 600 Mitarbeitenden auf Glasbearbeitung spezialisiert, u. a. für Technische Gläser, Touch-Systeme, Feuer-Sichtscheiben und Hochleistungs-Glaskeramik. Seit 2018 ist das Unternehmen Mitglied im Klimaschutz-Unternehmen e. V..
Eine dezentrale Stromerzeugung hat das Unternehmen eingeführt, um den steigenden Energiekosten entgegenzuwirken aber v. a. auch, weil es seit Jahrzehnten eigene Klima- und Emissionsziele verfolgt. Die Selbsterzeugung von Strom soll zu jeder Zeit – unabhängig von Sonne und Wind – möglich sein.
Das Unternehmen hat eine Redundanzversorgung aufgebaut: Die Energiequelle BHKW (Blockheizkraftwerk) dient als Hauptversorgungs- und Verteilerzentrum. Als Notbetrieb funktioniert der Erdgaskessel redundant zum BHKW (Thermalöl und Heißwasser). Außerdem gibt es einen Altbestand von 11 Wärmepumpensystemen, die nur noch redundant heizen und kühlen, sowie von 58 Sonden für die Passivkühlung.
Anfallende Wärme wird sinnvoll genutzt, so z. B. aus dem Abgas von Thermalöl für Trocknungsprozesse. Die Nutzung erfolgt außerdem durch: Sektorenkopplung Strom-Wärme-Kälte in Verbundnetzen, Power-to-Heat sowie KWK + Wärme-/ Kältespeicher samt Einbindung der KI in Strom-, Medien- und Regelleistungskreisabnahme.
Innerhalb von nur drei Jahren wurde ab 2018 mit einer Energiezentrale – mit der Idee einer Kraft-Wärme-Kopplung Energieerzeugung für werkübergreifende Endverbraucher – die Weiterentwicklung des betrieblichen Gesamtenergiekonzeptes geplant und umgesetzt.
Als Ausblick auf weitere Aktivitäten erzählte Günther Irlbacher, dass es im Februar 2022 ein Kick-off für das Projekt Frischwasser (17.000 m³ – 14.000 m³; 65 °C WAB aus Prozessabwärme) gibt. Das Ziel ist eine Einsparung von 14.000 m³ Frischwasser und 200.000 kW Elektrowärme.
Weitere Informationen zur Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH finden Sie hier: www.irlbacher.com
Olaf Höhn und Henrike Schulz von der Florida-Eis Manufaktur GmbH in Berlin nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit auf eine Reise in eine klimaneutrale Zukunft. Die Florida-Eis Manufaktur GmbH besteht seit 1927 und ist heute die erste CO2-neutrale Eismanufaktur. Unter dem Motto „Wir machen aus Sonne Eis“ nutzt das Unternehmen Energie effizient, u. a. durch Wärmerückgewinnung, Stickstoffrostung, Rotationskompressoren, Adsorptionskälteanlage, Elektromobilität, Eutektische Plattenkühlung, Solarthermie, Photovoltaik, Permafrost und Pelletheizung mit Feinstaubfilter.
Bei der Florida-Eis Manufaktur wird zu dem bereits Erreichten immer auch an weiteren Lösungen zur CO2-Einsparung geforscht. Neben der Geschäftsführung selbst sind Kunden und Mitarbeitende dabei wichtige Treiber. In Zeiten des Fachkräftemangels ist die konsequente Ausrichtung auf mehr Klimaschutz auch ein Argument, Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen.
Ab 2021 wird eine smarte Tiefkühltruhe (mit Scannern zum Lesen von RFID Codes) eingesetzt, die eine effiziente Nachbestellung und Warendisposition beim Kunden ermöglicht. Die Logistikkosten lassen sich so durch punktgenaue Belieferung und die Vermeidung unnötiger Anfahrtswege um bis zu 28 Prozent reduzieren, was einer Einsparung von ca. 116 Tonnen CO2 entspricht.
Außerdem wird die Verpackung auf nachhaltige Naturpapier-Becher umgestellt, die aus nachwachsenden Rohstoffen erstellt sowie mit Stärke aus Mais, Weizen oder Reis geleimt werden und kompostierbar sind. Pro Jahr können so 130 Tonnen CO2 eingespart werden.
Zum Abschluss präsentierten Olaf Höhn und Henrike Schulz noch die Vision der Florida-Eis Manufaktur GmbH: „Wir sind einen Weg gegangen, der richtig war. Daraus haben wir viele Erkenntnisse gewonnen und wissen heute, dass ein Produktionsbetrieb mit entsprechender Produktionstechnologie, Gebäudeform und Art die Klimaschutzvorgaben für 2050 garantiert erfüllt.“
Weitere Informationen zur Florida-Eis Manufaktur GmbH finden Sie hier: www.floridaeis.de
Jan Eschke von der Worlée-Chemie GmbH in Hamburg stellte in seinem Best-Practice-Vortrag zunächst die Schwerpunkte nachhaltiger Unternehmensführung der Worlée-Chemie vor. Dazu gehören u. a. Nachhaltige Produktentwicklung und Entwicklung umweltfreundlicher Produkte, Umweltschutz und Anlagensicherheit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung sowie Klimaschutz. Seit 2010 ist das Unternehmen Mitglied des Klimaschutz-Unternehmen e. V..
Das Unternehmen wurde 1851 als hanseatisches Handelshaus gegründet und besteht heute aus den drei Produktbereichen: Chemische Rohstoffe (Worlée-Chemie GmbH), Kosmetische Rohstoffe (Worlée-Chemie GmbH) und Natürliche Rohstoffe (Worlée NaturProdukte GmbH). Die Worlée-Chemie GmbH ist spezialisiert auf die Entwicklung und Produktion von Additiven und Bindemitteln für die Beschichtungsindustrie. Der Handel und Handelsprodukte namhafter internationaler Partner ergänzen die Produktpalette an Eigenprodukten.
Als Beispiel für mehr Energieeffizienz erläuterte Jan Eschke das derzeitige Verfahren für die Kühlwassergewinnung und das neue Verfahren, dass mittels eines Hochbehälters Energie bei der Kühlwassergewinnung einspart. Des Weiteren ging er auf die Ressourcenschonung Wasser ein. Die Worlée-Chemie GmbH nutzt u. a. Regenwasser als natürliche Ressource für die Kühlung, da auch die Ressource Wasser künftig immer kostbarer wird. Das Regenwasser wird dabei stetig kontrolliert und mit Frischwasser verschnitten, um die notwendigen Anforderungen und Qualitätsansprüche zu gewährleisten.
Einen weiteren Beitrag zur Ressourceneffizienz des Unternehmens liefert die Erschließung lokaler Rohstoffquellen. Die Worlée-Chemie GmbH arbeitet zum Beispiel seit 2018 im Leindotteröl-Projekt (gefördert vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums) und kümmert sich hier speziell um den Aufbau einer nachhaltigen Lieferkette. Ziel ist der Aufbau einer hochgradig nachhaltigen Lieferkette vom Anbau von Leindotter durch regionale Landwirte bis zur Herstellung von Holzveredelungsprodukten. Leindotter-Öl dient als Grundstoff für ein Bindemittel, das Worlée-Chemie zur Produktion von Alkydemulsionen einsetzt. Leindotter ist eine Ölpflanze, die besonders nachhaltig im Mischfruchtanbau mit Erbsen angebaut werden kann. So entsteht ein nachwachsender Rohstoff, der nicht mit Futter- und Nahrungsmitteln konkurriert und importierte Rohstoffe ersetzt.
Jan Eschke betonte in seinem Vortrag, dass die Ressourceneffizienzmaßnahmen sich natürlich auch wirtschaftlich rechnen sollen. Wirtschaftlichkeit und der interne Zinsfuß sind oft höher, als man zu Beginn denken würde. Sein Fazit und Tipps für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ein Engagement im Bereich Ressourceneffizienz lautet: Ressourceneffizienz geht oft mit Energieeffizienz einher. Dafür sollte man den Status Quo in Frage stellen und auch einmal Out-of-the-Box denken. Außerdem ist es wichtig, die Wirtschaftlichkeit nicht nur am ROI (Return on Investment) zu beurteilen.
Weitere Informationen zur Worlée-Chemie GmbH finden Sie hier: www.worlee.de
Julia Sulzberger von der Mader GmbH & Co. KG in Leinfelden-Echterdingen erläuterte, wie das 1935 gegründete Unternehmen insbesondere in den vergangenen 20 Jahren die Herausforderungen für mehr Klimaschutz angegangen ist. Die Mader GmbH & Co. KG bietet Produkte und Dienstleistungen im Bereich Pneumatik und Drucklufttechnik an: Von der Planung und Umsetzung von Druckluftsystemen, über die Beratung und Unterstützung zur Erhöhung der Energieeffizienz von Druckluftanlagen bis hin zu umfangreichem Wartungs- und Reparaturservice. Zentraler Erfolgsfaktor und besonderes Merkmal des Unternehmens ist die ganzheitliche Herangehensweise bei der Betrachtung des Druckluftprozesses – kurz der Mader-Effekt.
Das Unternehmen setzt auf nachhaltige Weiterentwicklung und neue Ideen, um seine Kunden und sich selbst ans gewünschte Ziel zu bringen. Seit 2014 sind zur Steigerung der Ressourceneffizienz eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt worden, wie der Umzug in ein energetisch optimiertes Firmengebäude, die Reduzierung des Heizölverbrauchs um 100 %, eine Prozessoptimierung zur Reduktion des Papierverbrauchs, ein neues Beleuchtungskonzept, neue Azubi-Projekte, die Einführung des Druckluft-Audits nach DIN EN ISO 11011 sowie die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen zur Energieeinsparung. Das Unternehmen ist Mitglied im Klimaschutz-Unternehmen e. V. und im Industrie-Club Ressourceneffizienz.
Umweltschutz und Unternehmensstrategie sind bei der Mader GmbH & Co. KG eng miteinander verbunden und organisatorisch auf allen Ebenen des Unternehmens verankert – von der höchsten Leitungsebene bis zu den Auszubildenden. Besonderen Wert legt das Unternehmen auf die Nachwuchsförderung. Mit einem grünen Schülerworkshop will das Unternehmen Schülerinnen und Schüler aus Schulen der Region für das Thema Klimaschutz sensibilisieren und auch für spätere berufliche Tätigkeiten in diesem Bereich interessieren. Durchgeführt werden die Workshops von den Auszubildenden der Mader GmbH & Co. KG.
Weitere Informationen zur Mader GmbH & Co. KG finden Sie hier: www.mader.eu
Die Veranstaltung bot insgesamt einen vertieften Einblick in die Strategien der vorgestellten Klimaschutz-Unternehmen und Anreize, gute Lösungen auch in anderen Unternehmen zu übernehmen, weiterzuentwickeln und umzusetzen. Im Anschluss an die einzelnen Vorträge nutzten die 45 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Online-Veranstaltung die Möglichkeit, direkt Fragen an die Referierenden zu stellen und auch eigene Erfahrungen zu teilen. Von den Referierenden wurde noch einmal deutlich betont, dass es wichtig ist den ersten Schritt für mehr Klimaschutz zu machen, auch wenn man nicht von Anfang an den gesamten Weg planen und sehen kann. Ein Schritt folgt dem anderen, und dabei sollte man immer innovationsfreudig bleiben.